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In der Union wächst Sorge vor destruktiven Folgen des Machtkampfs

Aufrufe an Parteichefs zu schneller Verständigung - Seehofer: "Ich leide"

In den Unionsparteien wächst die Furcht vor einer selbstzerstörerischen Dynamik im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur. "Ich leide unter dieser sehr schwierigen Situation für CDU und CSU", sagte der CSU-Minister Horst Seehofer der "Augsburger Allgemeinen" vom Donnerstag. Der CDU-Politiker Friedrich Merz warnte im Deutschlandfunk: "Der Flurschaden droht einzutreten, wenn jetzt nicht in dieser Woche eine Entscheidung getroffen wird."

Die beiden Parteichefs Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) wollen ihren Machtkampf nach eigenen Angaben bis Ende der Woche beilegen. Ein Termin für die Entscheidung stand am Mittwochnachmittag nach Angaben aus Parteikreisen aber weiterhin nicht fest. Es werde an einem einvernehmlichen Verfahren gearbeitet, hieß es.

Führende Unionspolitiker mahnten eine rasche Beilegung des Streits an. Bundesinnenminister Seehofer sagte, er hoffe "inständig", dass Söder und Laschet eine "konsensorientierte Lösung" finden. Das habe er beiden so gesagt. "Ich kann aber nicht sagen, wie sie das bewerkstelligen könnten", räumte Seehofer ein.

Der frühere Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) warnte davor, durch den Machtkampf die Wähler zu vergraulen. Mit Blick auf aktuelle Umfragen sagte er: "Wir sind noch ganze drei Prozentpunkte von einer Bundeskanzlerin Annalena Baerbock entfernt. Wir drei runter, die Grünen drei hoch - dann ist die Bundestagswahl 2021 gelaufen."

Merz bekräftigte seine Forderung an die CSU, zugunsten Laschets auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten. Er verwies darauf, dass Laschet die Unterstützung von CDU-Präsidium und -Vorstand genieße. "Ich finde, das hat Gewicht, und ich finde, das sollte auch die CSU akzeptieren." Er habe Laschet nach dessen Wahl zum CDU-Chef im Januar Unterstützung zugesagt - "ich stehe auch in kritischen Tagen dazu, wenn der Wind mal von vorne kommt".

Unterstützer von Laschet und für Söder aus der Bundestagsfraktion warben derweil am Mittwoch weiter für ihren jeweiligen Favoriten. Der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Alexander Throm ging dabei so weit, seinem eigenen Parteichef den Rückzug nahezulegen.

Throm verwies in der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstagsausgabe) auf die Unterstützung, die am Dienstag in der Fraktionssitzung für Söder deutlich geworden sei. "Ich hoffe, dass Armin Laschet dieses eindeutige Stimmungsbild auf sich wirken lässt und daraus die richtigen Schlüsse zieht", sagte Throm.

Der Gelsenkirchener CDU-Bundestagsabgeordnete Oliver Wittke sprach sich für Laschet aus - räumte aber zugleich ein, dass CSU-Chef Söder in der gemeinsamen CDU/CSU-Bundestagsfraktion über viel Rückhalt verfüge. "Es gab schon in der Bundestagsfraktion eine deutliche Mehrheit in Richtung Markus Söder", sagte Wittke im WDR. Es gebe aber auch "viele, die von den Qualitäten Armin Laschets überzeugt sind", sagte Wittke weiter.

In der Fraktionssitzung mit Laschet und Söder am Dienstag gab es nach AFP-Informationen rund 60 Wortmeldungen. Die Mehrzahl der Redner sprach sich dabei für Söder aus. In Laschets Lager wurde gegenüber AFP allerdings darauf verwiesen, dass sich in der Aussprache überdurchschnittlich viele CSU-Abgeordnete zu Wort gemeldet hätten, was das Meinungsbild zu Söders Gunsten beeinflusst habe.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht die Union durch den anhaltenden Machtkampf um die Kanzlerkandidatur praktisch gelähmt. "Über Monate wusste man, irgendwann muss man die K-Frage klären, jetzt rasen die Züge in der Union aufeinander zu, das macht die Partei handlungsunfähig", sagte er am Mittwoch im Sender Phoenix. Dies sei in einer so kritischen Lage, in der sich das Land gerade befinde, fatal.

by Tobias SCHWARZ