Der Verkäufer einer Immobilie muss potenzielle Käufer sorgfältig über mögliche Zusatzkosten, etwa für anstehende Sanierungen, informieren. Wichtige Unterlagen kurz vor Vertragsunterzeichung in einen digitalen Datenraum einzustellen, genügt dabei nicht unbedingt, entschied der Bundesgerichtshof am Freitag in Karlsruhe. Geklagt hatte eine Gesellschaft aus Niedersachsen, die im März 2019 für anderthalb Millionen Euro mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex kaufte. (Az. V ZR 77/22)
Sie macht geltend, dass sie über eine drohende hohe Sonderumlage nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Im Kaufvertrag hatte die verkaufende Immobiliengesellschaft versichert, dass mit einer kleinen Ausnahme keine Sonderumlagen beschlossen worden seien. Zudem stand im Vertrag, dass die Käufer die Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen drei Jahre bekommen hätten und den Inhalt kannten.
Unterlagen zu der Immobilie wurden in einem virtuellen Datenraum zur Verfügung gestellt. Das Protokoll der Eigentümerversammlung von 2016 stellte die Verkäuferin aber offenbar erst drei Tage vor Unterzeichnung des Kaufvertrags, an einem Freitag, ein. In dieser Versammlung ging es um einen schon 2006 gefassten Beschluss über Umbaumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, die bis zu 50 Millionen Euro kosten sollten.
Eine frühere Mehrheitseigentümerin sollte zahlen. Da diese sich dagegen wehrte, ging der Fall vor Gericht und endete schließlich Anfang 2020 mit einem Vergleich. Demnach sollten die Eigentümer der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage von zunächst 750.000 Euro und bei Bedarf bis zu 50 Millionen Euro zahlen.
Die Gesellschaft, die ihre Immobilien gerade erst erworben hatte, focht daraufhin den Kaufvertrag an. Vor dem Landgericht Hildesheim und dem Oberlandesgericht Celle hatte sie damit keinen Erfolg. Der BGH entschied nun aber, dass das Oberlandesgericht noch einmal über den Fall verhandeln muss. Es habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Verkäuferin ihre Aufklärungspflicht nicht verletzt habe.
Die Immobiliengesellschaft hätte ungefragt über ausstehende Sanierungsmaßnahmen von 50 Millionen Euro informieren müssen - auch wenn die Kosten ursprünglich vorrangig von der früheren Mehrheitseigentümerin getragen werden sollten und eine Sonderumlage noch nicht beschlossen war, erklärte der BGH. Es habe dennoch die Gefahr bestanden, dass die Klägerin als künftige Eigentümerin einen Teil der Kosten tragen müsse.
Allein durch das Einstellen des Protokolls der Eigentümerversammlung in den virtuellen Datenraum habe die Verkäuferin ihre Aufklärungspflicht nicht erfüllt. Das sei nur dann der Fall, wenn ein Verkäufer die berechtigte Erwartung haben könne, dass der Käufer die Informationen auch bekomme. Hier - da das Protokoll kurz vor Vertragsabschluss ohne gesonderten Hinweis eingestellt wurde - habe die Immobiliengesellschaft dies nicht zu Recht erwarten können. Die Käufer hätten keinen Anlass gehabt, an dem Wochenende noch einmal in den Datenraum zu schauen.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Celle wurde aufgehoben, das Oberlandesgericht muss sich noch einmal mit dem Fall befassen. Dabei soll es noch einige offene Fragen klären. So hatte die Immobiliengesellschaft unter anderem angegeben, dass sie den Käufern die relevanten Unterlagen schon vorher in Papierform gegeben habe.
smb/pe