Nach der Wahlniederlage der Union drängen immer mehr CDU-Politiker auf einen inhaltlichen und personellen Neuanfang. "Jetzt geht es um die Aufstellung für die Zukunft, einfach so weitermachen ist keine Option", sagte Parteivize Jens Spahn der "Welt am Sonntag". Aus dem Umfeld des CDU-Politikers Friedrich Merz wurde eine neue Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz ins Gespräch gebracht.
Spahn forderte einen Sonderparteitag bis Ende Januar und zwar unabhängig von der Frage, ob es der Union doch noch gelingen sollte, eine Regierung unter ihrer Führung zu bilden. In der Partei müsse die nächste Generation "jetzt stärker sichtbar werden", sagte der 41-Jährige weiter.
Zur Debatte um den gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet sagte der Bundesgesundheitsminister: "Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen." Die Diskussion darüber dürfe aber nicht den Blick auf "strukturelle Probleme" verstellen. Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur sollten CDU und CSU laut Spahn künftig auf einem gemeinsamen Parteitag treffen.
Es sei jetzt "Zeit für junge Köpfe", sagte auch der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban. Er forderte eine grundlegende Neuaufstellung. "In der CDU darf jetzt kein Stein mehr auf dem anderen bleiben", sagte Kuban der "Welt am Sonntag". Auch müsse die Basis bei wichtigen Entscheidungen künftig stärker eingebunden werden.
Einen umfassenden Erneuerungsprozess der Union sowie personelle Konsequenzen aus der Wahlniederlage verlangte auch CDU-Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen. Diese Erneuerung müsse umfassend sein: "Partei, Fraktion, Inhalte, Kommunikation, Personal", sagte Röttgen dem Berliner Tagesspiegel". Es reiche nicht, "nur eine Person auszuwechseln", sagte er mit Blick auf Laschet.
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", im Falle eines Ganges der Union in die Opposition müsse "alles auf den Prüfstand". Der bisherige CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer sagte der "Bild am Sonntag", die Nominierung von Laschet als Kanzlerkandidat der Union sei "eine historische Fehlentscheidung von Präsidium und Vorstand" der CDU gewesen.
Der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann sprach sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" für eine Mitgliederbefragung über die Parteiführung aus, falls ein Jamaika-Bündnis unter Führung der Union nicht zustandekomme und Laschet sein Amt verliere. Dann "wäre die Zeit der Basis gekommen", sagte auch der Mittelstands-Politiker Christian von Stetten der "FAS". Auch der Hamburger Landesvorsitzende Christoph Ploß verlangte, bei künftigen Entscheidungen in der CDU "sollte die Meinung der Mitglieder stärker berücksichtigt werden".
Alle drei gelten als Anhänger von Merz. Dieser hatte am Freitag ebenfalls mit der aktuellen Parteispitze abgerechnet, allerdings auch gesagt, er wolle sich nach zwei gescheiterten Versuchen nicht erneut in ein Ringen um den Parteivorsitz begeben. Dagegen berichtete die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf das Umfeld von Merz, der 65-Jährige wolle doch noch einmal für den CDU-Vorsitz kandidieren, wenn es dazu eine Basis-Befragung gebe.
by John MACDOUGALL