Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hat seine Prognose für dieses Jahr nach unten korrigiert. Statt mit einer Stagnation rechnet das IMK nun mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent, wie das Institut am Mittwoch mitteilte. Dafür gebe es mehrere Gründe: ein gedämpfter privater Konsum, ein zurückgegangener staatlicher Konsum, drastisch gesunkene Bauinvestitionen und eine eher verhaltene Entwicklung des Außenhandels.
Nach der Winterrezession - im letzten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 war die deutsche Wirtschaft geschrumpft - führe eine "nur langsame Erholung" dazu, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahresdurchschnitt um 0,5 Prozent sinken werde, erklärte das IMK am Mittwoch. Gleichzeitig bleibe der Arbeitsmarkt aber stabil. Im kommenden Jahr werde die Konjunktur wieder etwas stärker an Fahrt gewinnen, erwarten die Forschenden; das BIP dürfte dann um durchschnittlich 1,2 Prozent zulegen.
Die Inflationsrate wird laut IMK-Prognose im Jahresdurchschnitt 2023 noch hohe 5,3 Prozent betragen, im Jahresverlauf verringert sich der Preisauftrieb aber. 2024 dürfte die Teuerungsrate mit 2,4 Prozent wieder relativ nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent liegen.
Auf der konjunkturellen Habenseite für die deutsche Wirtschaft stehen, neben der nachlassenden Inflation, kontinuierlich wachsende Ausrüstungsinvestitionen, erläuterte das IMK. Gründe dafür seien unter anderem die ökologische Transformation der Wirtschaft und wachsende Rüstungsausgaben des Staates.
Es sei bedauerlich, dass sich die etwas positiveren wirtschaftlichen Perspektiven, die sich im Frühjahr abgezeichnet hatten, nun wieder zerschlagen hätten, erklärte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK. Aber angesichts der enormen wirtschaftlichen Herausforderungen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine seien die Ausschläge nach unten "moderat".
Die deutsche Wirtschaft "erweist sich einmal mehr als robust und die Bundesregierung hat in ihrer Anti-Krisen-Politik bei aller berechtigten Kritik grundsätzlich viel richtig gemacht, weil sie die Kaufkrafteinbußen in einer extrem schwierigen Phase begrenzt".
Dullien forderte die EZB auf, mit ihren Zinsschritten zunächst eine Pause einzulegen. Die Inflation entwickle sich "absehbar" in Richtung des EZB-Ziels, erklärte er. Zugleich entfalteten die kräftigen Zinserhöhungen der vergangenen Monate ihre volle Wirkung erst mit Zeitverzögerung.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Anfang Juni ihre aktuelle Prognose veröffentlicht hatte, rechnet in diesem Jahr mit einem Stillstand der Wirtschaft. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erwartet für dieses Jahr ein Null-Wachstum der deutschen Wirtschaft, wie Institutschef Marcel Fratzscher Ende Mai gesagt hatte.
ilo/pe