In Myanmar spitzt sich die politische Lage weiter zu: Trotz der Androhung von tödlicher Gewalt durch die Armee protestierten am Montag erneut hunderttausende Menschen im ganzen Land gegen die Militärherrschaft. Zahlreiche Myanmarer gingen bei einem Generalstreik in der Handelsmetropole Rangun, aber auch in der Hauptstadt Naypyidaw und anderen Städten auf die Straße. Die EU drohte den militärischen Machthabern mit Sanktionen.
Seit dem Militärputsch am 1. Februar, der eine zehnjährige Phase des demokratischen Wandels beendete, befindet sich das südostasiatische Land im Ausnahmezustand. Die Militärs sehen sich massiven Protesten gegenüber und reagieren zunehmend mit Gewalt gegen Demonstranten. Vier Menschen wurden bislang bei den Protesten getötet, 640 wurden nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation festgenommen.
In Rangun und anderen großen Städten blieben am Montag nach einem Aufruf zu einem Generalstreik zahlreiche Geschäfte geschlossen. Die Warnungen der Militärjunta nehmen derweil einen zunehmend bedrohlichen Ton an. Am Sonntagabend erklärte die Junta über den staatlichen Sender MRTV, wer an den Protesten teilnehme, drohe sein Leben zu verlieren: "Die Demonstranten stacheln die Menschen, vor allem emotionale Teenager und Jugendliche, zu einem Konfrontationskurs an, bei dem sie den Verlust ihres Lebens erleiden werden."
Die Junta warnte vor Aufforderungen zu "Aufruhr und Anarchie" und verschärfte in Rangun die Sicherheitsvorkehrungen am Montag noch einmal: Auf den Straßen der Stadt waren Polizei- und Militärfahrzeuge unterwegs und ein Botschaftsviertel wurde abgeriegelt.
Davon ließen sich die Demonstranten am Montag jedoch nicht abschrecken. "Wir sind heute gekommen, um an der Kundgebung teilzunehmen", sagte der 23-jährige Student Kyaw Kyaw in Rangun. "Die Unterdrückung erfüllt uns mit Sorge, aber wir werden weitermachen." Auch in der Hauptstadt Naypyidaw versammelten sich zehntausende Streikende zu Protesten. In weiteren Städten, darunter Myitkyina und Dawei, gab es ebenfalls große Kundgebungen.
Der UN-Sonderberichterstatter Tom Andrews zeigte sich zutiefst beunruhigt über die Drohungen des Militärs. "Warnung an die Junta: Anders als 1988 wird das Handeln der Sicherheitskräfte genau verfolgt, und Sie werden dafür Rechenschaft ablegen müssen", schrieb er auf Twitter.
UN-Generalsekretär António Guterres forderte am Montag ein sofortiges Ende der "Unterdrückung" in Myanmar. "Lassen Sie die Gefangenen frei. Beenden Sie die Gewalt. Respektieren Sie die Menschenrechte und den bei den vergangenen Wahlen ausgedrückten Willen des Volkes", sagte er in einer Videobotschaft zum Auftakt einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats.
Die EU-Außenminister drohten den Militärvertretern mit Sanktionen. Sie verurteilten die Machtübernahme "auf das Schärfste", wie es in einer gemeinsamen Erklärung am Montag hieß. Die Minister boten an, einen Dialog zur Beilegung der Krise zu unterstützen, zeigten sich aber gleichzeitig zu Sanktionen bereit.
Bereits in den vergangenen Wochen war das Militär entschlossen gegen die Demonstranten vorgegangen. Die Sicherheitskräfte setzten Gummigeschosse, Tränengas, Wasserwerfer und in einigen Fällen auch scharfe Munition ein. Am Wochenende waren in Mandalay und Rangun drei Demonstranten durch Schüsse getötet worden.
Das erste Todesopfer der Proteste war die 20-jährige Mya Thwate Thwate Khaing, der am Sonntag in Naypyidaw Tausende die letzte Ehre erwiesen. Ärzte hatten zehn Tage lang um das Leben der jungen Frau gekämpft, der bei Protesten in den Kopf geschossen worden war.
Die USA, Kanada und die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien haben bereits Sanktionen gegen die Junta verhängt. US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte am Sonntag via Twitter, Washington werde hart gegen jene vorgehen, die gegen die Bevölkerung Myanmars "Gewalt anwenden".
by Ye Aung THU