In Berlin sind am Sonntag mehrere hunderttausend Menschen zum Christopher Street Day zusammengekommen. In einem bunten Zug mit rund 70 Themenwagen wollten die Teilnehmenden der traditionsreichen Kundgebung der Schwulen und Lesben und anderer queerer Menschen durch die Innenstadt bis zur Festmeile zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor ziehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wünschte den Teilnehmern im Kurzbotschaftendienst Twitter eine fröhliche Feier. "Vielfalt ist unsere Stärke", sagte er.
Am Vormittag hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vor dem Bundeskanzleramt die Regenbogenflagge aufgezogen, das internationale Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung. Auch auf dem Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestags, wehte sie. Die Flagge sei auch "Auftrag, dass politisch noch einiges für mehr Gleichberechtigung und Anti-Diskriminierung zu tun ist", schrieb Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) auf Twitter - und fügte hinzu: "Liebe ist für alle da!"
Die Veranstalter rechneten mit etwa 500.000 Teilnehmern bei der Kundgebung - deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als rund 350.000 Menschen beim Christopher Street Day in Berlin mitmachten. Die Kundgebung steht in diesem Jahr unter dem Motto "Be their voice and ours - für mehr Empathie und Solidarität". Sie wird zum 45. Mal in der Stadt abgehalten.
Die Veranstalter wollen den CSD ausdrücklich als politische Kundgebung verstanden wissen. "Unser Forderungskatalog wird seinen Weg finden, die Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kommt nicht daran vorbei - wir sind hier nicht zum Spaß", erklärte Patrick Ehrhardt, Vorstandsmitglied im Berliner CSD e.V. Zum CSD gehören nach Angaben der Veranstalter alle queeren Menschen - also Menschen, die nicht in das heterosexuelle Mann-Frau-Schema passen wollen.
Zum Programm zählen auch politische Ansprachen - etwa von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und von Berlins neuem Bürgermeister Kai Wegner (CDU). "Wir erheben die Stimme für die Menschen, die zur Community gehören, und wir protestieren gegen Vorurteile, Ausgrenzung und Gewalt", erklärte Wegner zum Auftakt des CSD. "Der Berliner CSD ist inzwischen eine der größten europäischen Demonstrationen für das Menschenrecht auf selbstbestimmte Liebe geworden und setzt damit ein Hoffnungszeichen für ein besseres Miteinander."
Die Kundgebung erinnert an den 28. Juni 1969, als die Polizei die Schwulenbar Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street stürmte, worauf tagelange Zusammenstöße zwischen Aktivisten und Sicherheitskräften folgten. Der Aufstand gilt als Geburtsstunde der modernen Schwulen- und Lesbenbewegung.
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