Nach der Verhängung des Kriegsrechts über Teile der Stadt Yangon in Myanmar sind hunderte Bewohner aus Angst vor Gewalt durch die Militärjunta aus der Metropole geflohen. Die Zeitung "The Irrawaddy" veröffentlichte am Dienstag Fotos von Einwohnern, die auf Pritschenwagen und Tuk-Tuks das verarmte Arbeiterviertel Hlaing Tharyar verließen. Die Uno berichtete derweil, dass in Myanmar seit dem Militärputsch vom 1. Februar und den anschließenden Protesten hunderte Menschen vermisst würden.
Die Militärjunta hatte vor kurzem für Hlaing Tharyar und fünf weitere Viertel Yangons das Kriegsrecht verhängt. In Hlaing Tharyar, wo viele Arbeiter in Textilfabriken ihr Auskommen suchen, hatten die Sicherheitskräfte am Sonntag das Feuer eröffnet und dutzende Menschen getötet. Am Wochenende waren in dem Viertel mehrere chinesische Textilfabriken zerstört worden. Mit ihren Habseligkeiten flohen nun viele Menschen aus dem Viertel. Der "Democratic Voice of Burma" zufolge handelte es sich vor allem um Wanderarbeiter, die in ihre Heimatregionen zurückkehrten.
In den vom Kriegsrecht betroffenen Stadtvierteln in Yangon leben rund zwei Millionen Menschen, mehr als ein Viertel der Bevölkerung der Handelsmetropole. Wer dort festgenommen wird, kann vor ein Militärgericht gestellt werden. Dort drohen drakonische Strafen von jahrelanger Zwangsarbeit bis zur Todesstrafe. "Wir trauen uns nicht mehr auf die Straße", sagte ein Anwohner der Nachrichtenagentur AFP. Nachts seien Schüsse zu hören.
Trotz der tödlichen Gewalt wagten sich auch am Dienstag wieder Demonstranten in vielen Teilen des Landes auf die Straßen, wenngleich in kleinerer Zahl. Ein Demonstrant wurde in der Region Sagaing von Sicherheitskräften erschossen, wie ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes mitteilte.
Von vielen Festgenommenen fehlt nach Angaben der UNO jede Spur. "Hunderte Menschen, die rechtswidrig festgenommen wurden, sind noch immer als vermisst gemeldet", sagte die Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats, Ravina Shamdasani.
Die Uno beziffert die Zahl der Toten bei den Protesten gegen die Militärjunta auf mindestens 149 Menschen. Die tatsächlichen Zahlen könnten jedoch wesentlich höher liegen. Nach Angaben der Hilfsorganisation für politische Gefangene (AAPP) wurden seit dem Putsch bereits mehr als 180 Menschen getötet, alleine am Sonntag gab es demnach 74 Todesopfer.
Mindestens fünf Menschen seien in den vergangenen Wochen in Haft gestorben und die Leichen von zwei Opfern hätten Spuren schwerer körperlicher Misshandlungen gezeigt, die auf Folter hinweisen würden, sagte Shamdasani. Mindestens 37 Journalisten seien festgenommen worden, von denen 19 noch immer willkürlich festgehalten würden.
Seit der Machtübernahme des Militärs am 1. Februar gehen die Menschen in Myanmar jeden Tag zu Zehntausenden auf die Straße und fordern die Freilassung der entmachteten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi sowie die Rückkehr zur Demokratie. Die Sicherheitskräfte gehen mit Tränengas, Gummigeschossen und scharfer Munition gegen die Demonstranten vor.
Am Dienstag nahmen in Yangon hunderte Trauernde bei Massenbestattungen Abschied von den Getöteten - darunter war der Medizinstudent Khant Nyar Hein, dem am Sonntag im Stadtteil Tamwe in den Kopf geschossen worden war. "Wir brauchen Demokratie, wir brauchen Freiheit", sagte seine Mutter unter Tränen bei der Trauerfeier. "Ich bitte Sie, helfen Sie uns."
US-Außenminister Antony Blinken verurteilte die Militärjunta am Dienstag erneut für den Einsatz tödlicher Gewalt gegen Demonstranten.
by STR