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Hohe Infektionszahlen – aber niedrigen Todeszahlen! Macht das jetzt Hoffnung?

Mit Verwunderung beobachtet man in Deutschland die Entwicklung in Großbritannien. Denn während die Zahlen der Neuinfizierten immer weiter ansteigt, hat sich die britische Regierung am 19. Juli entschlossen sämtliche Corona-Maßnahmen aufzuheben. Mittlerweile ist der Inzidenzwert in Großbritannien auf 497 angestiegen und könnte sogar bald den nationalen Rekordwert von 618 knacken. Verglichen mit Deutschland (Inzidenzwert 13,6) liegt die Inzidenz also praktisch 40 Mal höher.

Hohe Inzidenzwerte aber geringere Todeszahlen

Allerdings zeigen die Daten, dass ein hoher Inzidenzwert angesichts der fortschreitenden Impfungen deutlich weniger dramatisch ist, als noch zu Beginn der Pandemie. “Diese Werte müssen jetzt anders eingeschätzt werden. Sie bilden die Schwere des Infektionsgeschehens nicht mehr so ab wie früher“, erklärt Statistiker Prof. Christian Hesse von der Uni Stuttgart. “Nach all unseren Anstrengungen der letzten Monate bei der Immunisierung ist eine Inzidenz von z. B. 100 für unsere Gesellschaft weniger gravierend als vor einem halben Jahr. Deshalb sollte man als Gradmesser zusätzlich immer die Lage auf den Intensivstationen im Blick haben“, rät der Statistiker. In Großbritannien zeigt sich, dass trotz hoher Infektionszahlen zur Zeit lediglich 699 Menschen auf den Intensivstationen des Landes behandelt werden müssen. In Deutschland sind es aktuell lediglich 192. Trotz eines 40-fach erhöhten Inzidenzwert werden in Großbritannien also lediglich 3,5-mal so viele Menschen auf den Intensivstationen betreut. Zudem sinkt die Anzahl der täglichen Todesopfer weiter.

Situation durch Impffortschritt deutlich verbessert

Experten glauben, dass diese Entwicklung vor allem dem Fortschritt der Impfungen zu verdanken ist. “Die Meldeinzidenzen haben sich von den Krankenhauseinweisungen entkoppelt“, macht Prof. Jonas Schmidt-Chanasit gegenüber der “Bild am Sonntag” deutlich. Aus diesem Grund ist Schmidt-Chanasit auch optimistisch, was den Verlauf einer weiteren Corona-Welle in Deutschland angeht. “Je mehr geimpft wird, desto geringer ist die Gefahr, dass man mit vielen schweren Verläufen und Krankenhauseinweisungen konfrontiert wird.“ Dies ist jedoch bei weitem noch kein Freibrief. Denn wie gefährlich es werden könnte, muss sich erst noch zeigen.

Folgen werden erst in einigen Wochen absehbar sein

“Die wahre gravierende Wirkung dieser Komplett-Lockerung wird sich im Gesundheitssystem mit einer zeitlichen Verzögerung von wenigen Wochen zeigen“, prognostiziert der Statistiker Hesse. “Zwar reduziert der Impfschutz auch die Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe bei Infektionen mit Corona deutlich, doch bei aktuell schon mehr als 50.000 täglichen Neuinfektionen in Großbritannien wird es trotzdem sehr hohe Fallzahlen bei Klinikeinweisungen und Sterbenden geben“, ist sich Hesse sicher. Der Statistiker rechnet damit, dass die Zahl der Klinikeinweisungen in Großbritannien in drei bis vier Wochen auf 3.000 Fälle täglich ansteigen könnte. “Was wir in Großbritannien auch sehen, ist, dass aufgrund der hohen Anzahl an Neuinfektionen viele Menschen in Quarantäne müssen und wichtige Versorgungsstrukturen so lahmgelegt werden“, verdeutlicht Virologe Schmidt-Chanasit. Dies beeinträchtige das tägliche Leben der Menschen, weil dann in vielen Firmen Personal fehlen wird.

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