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Hoffnungen auf Einigung bei Verhandlungen zu Geisel-Freilassung wachsen

In den Verhandlungen um die von der radikalislamischen Hamas aus Israel verschleppten Geiseln gibt es Anzeichen für eine bevorstehende Einigung. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte am Dienstag, es gäbe "Fortschritte" in dem Bemühen, die Geiseln nach Hause zu bringen. Zuvor hatte bereits Vermittler Katar angegeben, eine Einigung sei "so nah wie nie zuvor". Auch Hamas-Chef Ismail Hanijeh erklärte, dass ein Abkommen über eine Waffenruhe mit Israel in Sicht sei.

Er hoffe, dass es bald "gute Nachrichten" geben werde, sagte Netanjahu beim Besuch eines Militärstützpunkts im Norden des Landes. Er halte es jedoch nicht für sinnvoll, "zu viel zu sagen". Nach Angaben des Sprechers des katarischen Außenamts haben die Gespräche zwischen den Konfliktparteien eine "kritische und letzte Phase" erreicht. "Wir sind optimistisch und hoffnungsvoll", erklärte er. 

Katar nimmt bei der Vermittlung zwischen Israel und der Hamas zur Freilassung der rund 240 verschleppten Geiseln eine Schlüsselrolle ein. Die Regierung des Golfemirats hatte bereits am Sonntag erklärt, bei den Verhandlungen seien nur noch "geringfügige" Hindernisse zu überwinden, was die Hoffnungen auf einen baldigen Abschluss genährt hatte. Einen Tag später sagte dann auch US-Präsident Joe Biden, er glaube, dass eine Einigung zu einer Freilassung der Geiseln in greifbare Nähe gerückt sei.

Im Onlinedienst Telegram erklärte Hamas-Chef Ismail Hanijeh, dass ein Abkommen für eine Waffenruhe mit Israel in Sicht sei. Aus Kreisen der Hamas und des ebenfalls an den Angriffen vom 7. Oktober beteiligten Islamischen Dschihad erfuhr die Nachrichtenagentur AFP, dass beide militant-islamistischen Organisationen den Bedingungen für eine Waffenruhe zugestimmt haben.

Das vorläufige Abkommen sieht demnach eine fünftägige komplette Waffenruhe im Gazastreifen vor. Für den Norden des Palästinensergebiets soll eine Ausnahme gelten, dort sollen die Angriffe nur für sechs Stunden am Tag eingestellt werden.

Im Gegenzug sollen nach den Angaben der Vertreter von Hamas und Islamischem Dschihad zwischen 50 und 100 der von der Hamas festgehaltenen Geiseln freigelassen werden, darunter israelische Staatsbürger und Menschen anderer Nationalitäten - allerdings keine Armeeangehörigen. Im Austausch würden 300 Palästinenser, darunter Frauen und Kinder, aus israelischen Gefängnissen entlassen.

Weiter beinhaltet das Abkommen demnach auch die Einfahrt von bis zu 300 mit Lebensmitteln und Medikamenten beladenen Lastwagen in den Gazastreifen. Netanjahu hatte am Montag einige der Angehörige der Geiseln getroffen und erklärt, sein Land werde nicht "aufhören zu kämpfen, bis die Geiseln nach Hause gebracht sind". 

Einige Geisel-Familien äußerten nach dem Treffen jedoch Unverständnis und Frustration. "Wir hätten gerne von einer Einigung gehört und dass die Rückkehr der Geiseln in diesem Krieg Priorität hat", sagte Udi Goren, dessen Cousin Tal Haimi mutmaßlich von Kämpfern der Hamas verschleppt wurde.

Unterdessen setzte die israelische Armee ihre Angriffe auf Ziele im Gazastreifen fort. Sie erklärte, in den vergangenen Tagen "rund 250" Ziele der Hamas getroffen und drei Tunnel im Bereich der Flüchtlingssiedlung Dschabalija im Norden des Palästinensergebiets zerstört zu haben.

Bei israelischen Angriffen auf den Süden des Libanon wurden libanesischen Medien zufolge zwei Journalisten und zwei Zivilisten getötet. Das israelische Militär gab an, die "Einzelheiten" des Vorfalls prüfen zu wollen. Seit dem Großangriff Hamas auf Israel hatten die Spannungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet deutlich zugenommen. 

Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas nach Israel eingedrungen und hatten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1200 Menschen getötet, rund 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion darauf begann Israel damit, Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus anzugreifen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem rund 13.300 Menschen im Gazastreifen getötet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder.

Über den Krieg zwischen Israel und der Hamas berieten am Dienstag auch die Vertreter der Brics-Staaten bei einem virtuellen Sondergipfel. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa warf Israel Kriegsverbrechen vor und sagte, die vorsätzliche Verweigerung von Medizin, Treibstoff, Lebensmitteln und Wasser für die Bewohner des Gazastreifens gleiche einem "Genozid".

Die Brics-Gruppe besteht aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Neben den Staatenlenkern der Brics-Staaten sollte sich auch UN-Generalsekretär António Guterres dem Treffen zuschalten. Der Gipfel soll mit einer gemeinsamen Erklärung enden.

lt/ju