Die Chilenen haben am Sonntag in einem historischen Referendum offenbar mit deutlicher Mehrheit für eine Verfassungsreform gestimmt. 77,5 Prozent der Wähler sprachen sich für eine Änderung der bisherigen Verfassung aus, die noch aus der Zeit der Diktatur unter Augusto Pinochet (1973-90) stammt, wie aus einer Hochrechnung nach Auszählung von knapp einem Fünftel der Stimmen hervorging.
In der Hauptstadt Santiago de Chile versammelten sich Befürworter der Verfassungsänderung auf der zentralen Plaza Italia, um ihren Erfolg zu feiern.
Zahlreiche Bürgerbewegungen und politische Parteien der Linken und der Mitte sehen die aktuelle chilenische Verfassung als ein Hindernis für tiefgreifende soziale Reformen. Der konservative Präsident Chiles, Sebastián Piñera, hatte einem Referendum zugestimmt, nachdem es vor einem Jahr zu Massenprotesten im Land gekommen war.
Ausgelöst wurden die Proteste im Oktober 2019, als die chilenische Regierung eine Erhöhung der Fahrscheinpreise im öffentlichen Nahverkehr um 30 Pesos (umgerechnet 3 Cent) verkündete. Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten wurden mehr als 30 Menschen getötet.
Ursprünglich war das Referendum für April angesetzt, wegen der Corona-Krise wurde die Abstimmung jedoch auf Oktober verschoben. Die Chilenen mussten bei dem Referendum auch entscheiden, wer eine mögliche neue Verfassung entwerfen soll: eine gemischte Versammlung, zusammengesetzt aus Abgeordneten und Bürgern, oder eine reine Bürgerversammlung mit 155 Mitgliedern. Das Verfassungsgremium soll im April 2021 gewählt werden; über den von ihm erarbeiteten Entwurf soll dann im Jahr 2022 ein erneutes Referendum abgehalten werden.
by PEDRO UGARTE