Die künftige Entwicklung der Spritpreise hat knapp vier Monate vor der Bundestagswahl für heftigen Streit zwischen den Parteien gesorgt. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach am Donnerstag von einer "populistischen Benzinwutkampagne", nachdem SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sich gegen deutlich höhere Benzinpreise gewandt hatten. Hintergrund der Debatte ist, dass durch die Einführung von CO2-Preisen für mehr Klimaschutz auch die Spritpreisen steigen dürften.
Bundesfinanzminister Scholz sagte der "Bild"-Zeitung zu den Benzinpreisen: "Wer jetzt einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind." Ein immer höherer CO2-Preis sorge "nicht für mehr Klimaschutz, sondern nur für mehr Frust". Verkehrsminister Scheuer sagte dem Blatt, es gehe nicht, "dass die Preise immer weiter nach oben gehen". Mobilität sei "auch ein sozialer Aspekt".
Grünen-Fraktionschef Hofreiter warf daraufhin Union und SPD vor, sie hätten gerade ein höheres Klimaziel beschlossen, verweigerten aber die Umsetzung ihrer Beschlüsse. Jetzt zündeten "Scholz, Scheuer und Co. die nächste Stufe der Unredlichkeit". Obwohl sie selbst einen ansteigenden CO2-Preis beschlossen hätten, starteten sie eine "populistische Benzinwutkampagne".
"Wer Ängste schürt und Halbwahrheiten verbreitet, untergräbt bewusst die Akzeptanz für die zentrale Zukunftsaufgabe Klimaschutz", kritisierte Hofreiter. Klimaschutz brauche ambitionierte Maßnahmen zusammen mit einem starken sozialen Ausgleich wie ein Energiegeld als Rückerstattung des CO2-Preises.
Der Spritpreis stieg bereits zum Jahreswechsel durch den für die Bereiche Gebäude und Verkehr eingeführten Preis auf den CO2-Ausstoß. Seit Jahresbeginn liegt der CO2-Preis pro Tonne Kohlendioxid bei 25 Euro.
In den kommenden Jahren ist ein weiterer Anstieg geplant, was weiter steigende Benzinpreise zur Folge haben dürfte. Der bisherigen Beschlusslage zufolge soll der CO2-Preis ab Januar 2022 auf 30 Euro steigen, ab 2023 auf 35 Euro, ab 2024 auf 45 Euro und 2025 dann auf 55 Euro. Es gibt allerdings Forderungen aus der CDU, ihn schneller anzuheben. Die Grünen wollen die Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorziehen.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte vor diesem Hintergrund in einer "Bild"-Sendung zum Thema Benzinpreis gesagt: "Sechs Cent Preiserhöhung gab es jetzt zum Jahresbeginn, weil erstmalig auch ein CO2-Preis auf Benzin eingeführt worden ist." Ein schrittweiser Anstieg des CO2-Preises führe dann zu den 16 Cent höheren Spritkosten, die Ko-Parteichef Robert Habeck zuvor erwähnt habe.
Kritik an den Grünen kam auch von der FDP. Wer die Preisschraube für die Menschen im Land immer weiter anziehen wolle, "wird die Quittung für diese Ignoranz am Wahlsonntag im September bekommen", sagte Parteivize Wolfgang Kubicki der "Augsburger Allgemeinen". Die vielen Pendler-Familien auf dem Land spielten in dieser Welt keine Rolle. "Grün wählen muss man sich finanziell leisten können", sagte Kubicki.
Der Linken-Abgeordnete Lorenz Gösta Beutin sprach von einer "wahlkampfgetriebenen Debatte", die zeige, "dass Klimapolitik über die Verbraucherpreise sozialpolitisches Kamikaze ist". Die Linke sei für starken Klimaschutz durch verbindliche Klimaschutz-Vorgaben wie ein Ende des Verbrenner-Pkw bis 2030, einen Kohleausstieg bis spätestens 2030 und Klimaneutralität in Deutschland schon 2035.
Die Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Antje von Broock, kritisierte: "Statt wie einige CDU- und SPD-Politiker jetzt gegen Preissteigerungen an der Tanksäule zu wettern, käme es darauf an, Konzepte für die soziale Ausgestaltung des Preisinstrumentes zu machen."
Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, erklärte: "Niemand kann für Klimaschutz sein und gleichzeitig Autofahrern versprechen, es werde sich nichts ändern und es dürfe nichts teurer werden."
by MIGUEL MEDINA