Auch nach der erneuten Verlängerung der brüchigen Waffenruhe im Sudan haben sich die Konfliktparteien wieder heftige Kämpfe geliefert. Über die Hauptstadt Khartum flogen am Montag Kampfflugzeuge; Schüsse und Explosionen erschütterten nach Angaben von Augenzeugen zahlreiche Viertel. UN-Generalsekretär António Guterres entsandte wegen der "beispiellosen" Situation Nothilfekoordinator Martin Griffiths in die Region. Die WHO-Vertreter warnte, das Gesundheitswesen in dem nordostafrikanischen Land stehe vor einer "Katastrophe".
Die Armee und die paramilitärische RSF-Miliz bestätigten beide am Sonntagabend kurz vor Auflaufen einer Waffenruhe um Mitternacht, dass diese um weitere 72 Stunden verlängert werde. Sie wurde aber zunächst ebenso wie die Waffenruhen davor nicht eingehalten. Im Sudan kämpfen seit nunmehr gut zwei Wochen Armeeeinheiten unter dem Kommando von Militärmachthaber Abdel Fattah al-Burhan gegen die von General Mohamed Hamdan Daglo angeführte RSF-Miliz.
Bei den Gefechten wurden nach offiziellen Angaben bereits mehr als 500 Menschen getötet und tausende verletzt. Es wird davon ausgegangen, dass die eigentliche Opferzahl viel höher ist. Westliche Länder wie beispielsweise Deutschland haben ihre Staatsbürger per Flugzeug oder Schiff in Sicherheit gebracht.
"Das Ausmaß und die Geschwindigkeit" der Ereignisse im Sudan seien "beispiellos", erklärte UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Sonntag bei der Bekanntgabe der Griffiths-Mission. Die UNO forderte die Konfliktparteien erneut auf, Zivilisten und Infrastruktur zu schützen, sichere Fluchtkorridore aus dem Kampfgebiet zu ermöglichen, humanitäre Helfer und medizinisches Personal zu respektieren und Hilfseinsätze zu erleichtern.
Die UNO spricht inzwischen von 75.000 Binnenvertriebenen im Sudan. Mindestens 20.000 Menschen seien zudem in den Tschad geflohen, 6000 in die Zentralafrikanische Republik und tausende weitere in den Südsudan und nach Äthiopien.
Schon vor dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts sei "das Gesundheitssystem im Sudan mit zahlreichen Krisen konfrontiert und extrem anfällig" gewesen, sagte der WHO-Regionaldirektor für den östlichen Mittelmeerraum, Ahmed al-Mandhari, der Nachrichtenagentur AFP. Nun, da Krankenhäuser bombardiert würden, Medikamente knapp würden und viele Ärzte aus dem Land fliehen würden, sei es "eine Katastrophe im wahrsten Sinne des Wortes". Al-Mandhari warnte zudem vor der wachsenden Gefahr durch Krankheiten wie beispielsweise Cholera und Malaria.
Am Sonntag war erstmals ein Hilfsflug des Roten Kreuzes im Sudan gelandet. Es seien acht Tonnen lebensrettende medizinische Güter nach Bur Sudan transportiert worden, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit. In dem aus Jordanien kommenden Flugzeug waren den Angaben zufolge unter anderem chirurgische Instrumente zur Unterstützung sudanesischer Krankenhäuser sowie für die Freiwilligen der Sudanesischen Rothalbmondgesellschaft (SRCS), die bei Kämpfen verletzte Menschen medizinisch versorgen. Auch Narkosemittel und Wundverbände seien geliefert worden.
Die Europäische Kommission sieht die Gefahr einer Ausweitung der Unruhen im Sudan auf die Nachbarstaaten. "Das Risiko, dass die Krise auf umliegende Staaten in der Region übergreift, ist reell", sagte der für humanitäres Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic der "Welt am Sonntag". An den Sudan grenzten weitere Staaten, die "höchst fragil" sind. "Die Konsequenzen wären desaströs."
lan/jes