Ein höherer CO2-Preis, der Abbau umweltschädlicher Subventionen, aber möglichst keine Aussetzung der Schuldenbremse: Die Ampel-Koalition hat nach wochenlangem Ringen eine Lösung gefunden, um die Lücke von 17 Milliarden Euro im Haushalt 2024 zu schließen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von schwierigen Abwägungen, sah aber einen guten Kompromiss. Die Opposition warf der Ampel-Regierung dagegen erneut "Tricksereien" beim Haushalt vor.
Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts müsse die Ampel-Regierung "mit deutlich weniger Geld auskommen", sagte Scholz. Die Koalition halte aber an ihren zentralen Zielen fest: "Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes voran, wir stärken den sozialen Zusammenhalt und wir stehen weiter eng an der Seite der Ukraine."
Scholz hatte mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) in den vergangenen Tagen intensiv um eine Lösung gerungen. "Das war harte, aber konstruktive Arbeit", sagte Scholz. "Am Ende steht ein guter, ein im wahren Sinne demokratischer Kompromiss."
Die Einigung sieht ein Bündel von Maßnahmen aus Einsparungen und Subventionsabbau vor. Der CO2-Preis soll 2024 auf das von der Vorgängerregierung geplante Niveau von 45 Euro pro Tonne steigen, wie Habeck bei einem gemeinsamen Pressetermin mit Scholz und Lindner sagte. Das sind fünf Euro mehr als bisher geplant.
Lindner zufolge werden umweltschädliche Subventionen im Umfang von insgesamt drei Milliarden Euro abgebaut. Weitere 1,5 Milliarden Euro sollen laut Lindner im Bereich des Arbeitsmarkts eingespart werden - etwa über die bessere Arbeitsvermittlung von Geflüchteten aus der Ukraine. Laut Habeck soll zudem die Umweltprämie, also die Förderung für E-Mobile, früher auslaufen als geplant.
Beim Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem Projekte der Energiewende finanziert werden, werden laut Lindner im kommenden Jahr 12,7 Milliarden Euro gekürzt. Bis 2027 sollen Scholz zufolge 45 Milliarden Euro wegfallen. Damit bliebe aber "immer noch ein sehr hohes Gesamtvolumen" von insgesamt 160 Milliarden Euro in dem Fonds, betonte der Kanzler.
Zu den Einzelmaßnahmen zählt, dass die Modernisierung der Bahn nicht mehr aus dem KTF finanziert werden soll. Hier gehe die Koalition "kreative Wege", sagte Lindner. Die Regierung wolle Privatisierungserlöse von nicht benötigten Bundesbeteiligungen "teilweise nutzen, um die Bahn zu stärken", sagte er.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nannte es eine "gute Nachricht", dass ihr Ressort nicht von Kürzungen betroffen sei. Projekte etwa des Kinder- und Jugendplans könnten damit "in dem bisher geplanten Umfang" weitergefördert werden.
Eine Aussetzung der Schuldenbremse auch für das kommende Jahr plant die Bundesregierung nicht - allerdings schloss Scholz eine erneute Aussetzung nicht aus, sollte sich die militärische oder finanzielle Situation der Ukraine im kommenden Jahr deutlich verschlechtern. Er nannte dabei die Lage an der Front oder das Zurückfahren von Ukraine-Hilfen durch andere bisherige Unterstützer.
Bei den Bundeshilfen für die Bewältigung der Flutkatastrophe im Ahrtal soll eine Ausnahme von der Schuldenregel geprüft werden. Scholz verwies darauf, dass die Kreditobergrenzen zur Bewältigung von Naturkatastrophen angehoben werden könnten. Im kommenden Jahr gehe es dabei um einen Betrag von 2,7 Milliarden Euro.
Finanzminister Lindner sagte, diese Summe sei "nicht angetan, die Statik des Bundeshaushaltes zu gefährden ". Die Koalition wolle "das Gespräch auch mit der CDU/CSU-Fraktion suchen, um einen Weg zu finden, hier Rechtssicherheit zu geben".
Von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) kam scharfe Kritik: Anders als von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dargestellt sei schon jetzt klar, dass die Schuldenbremse spätestens Mitte des kommenden Jahres abermals ausgesetzt werden müsse, sagte er im Bundestag. "Sie wissen, dass Sie nicht einhalten können, was Sie heute hier gesagt zu haben." Es handle sich um die "übliche Trickserei" des Bundeskanzlers.
AfD-Chef Tino Chrupalla warf der Koalition ein Komplettversagen in der Wirtschaftspolitik vor. "Wie dieses Land kaputtgewirtschaftet wird, dass gab es seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie", sagte er. Die nun vereinbarten Etatmaßnahmen wie die Erhöhung des CO2-Preises machten Deutschland als Wirtschaftsstandort "noch unattraktiver".
Linken-Chefin Janine Wissler warf der Ampel-Regierung in den Zeitungen der Funke Mediengruppe vor, sie kürze "ohne Verstand". Sie forderte statt dessen die Abschaffung der Schuldenbremse und die höhere Besteuerung von Superreichen und Konzernen.
mt/pw