Im Herbst 2022 gab es Befürchtungen in den USA, dass Russland seine Atomwaffen einsetzen könnte. Laut dem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich soll Bundeskanzler Olaf Scholz jedoch einen möglichen Nuklearangriff auf die Ukraine verhindert haben. Mützenich erklärte in einer Pressekonferenz, dass Scholz "mitgeholfen habe, möglicherweise einen atomaren Schlag der russischen Streitkräfte unter Anordnung von Präsident Putin durch seinen Besuch in China mitzuverhindern". Ist an dieser Schilderung wirklich etwas Wahres dran?
Die "New York Times" berichtete, dass die USA im Herbst 2022 einen russischen Atomangriff fürchteten und deshalb China einschalteten, um dies zu verhindern. Kurz nach Scholz' Besuch bei Xi Jinping in China warnte China vor dem Einsatz von Atombomben, und ein Nuklearangriff blieb aus. Doch hat der Kanzler den chinesischen Machthaber tatsächlich davon überzeugt, sich gegen Putin zu stellen? US-Berichten zufolge waren es jedoch die Vereinigten Staaten, die Russland auf sämtlichen Kanälen vor einem Nuklearangriff warnten und mit schwerwiegenden Konsequenzen drohten. Scholz wurde gebeten, Xi Jinping über diese Erkenntnisse zu informieren und ihn aufzufordern, sich gegen den Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Konflikt auszusprechen.
Nach seinem China-Besuch erklärte Scholz, dass er Präsident Xi gebeten habe, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen. Militärexperte Carlo Masala betonte jedoch, dass die Gefahr eines Atomangriffs im Herbst 2022 überschaubar gewesen sei. Obwohl es Gespräche über den Einsatz taktischer Nuklearwaffen gegeben habe, wurden keine entsprechenden Bewegungen am Boden beobachtet. Er betonte, dass Scholz zwar dazu beigetragen haben könnte, dass China seine Position änderte, aber es keine Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden Nuklearkrieg gab.
Der Nuklearexperte William Alberque vom International Institute for Strategic Studies kritisierte Scholz' Darstellung scharf und warf ihm vor, den Kremlchef zu Angriffen ermutigt zu haben, indem er vor möglichen westlichen Waffenlieferungen warnte. Alberque betonte jedoch, dass Scholz keinen Nuklearkrieg verhindert habe. Vielmehr habe die Warnung der USA, Frankreichs und Großbritanniens, im Falle eines russischen Atomschlags zurückzuschlagen, Russland abgeschreckt.
