Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hat nach eigenen Angaben "heftige Gefechte" mit der israelischen Armee im Gazastreifen geführt. "Unsere Kämpfer führen derzeit im Nordwesten des Gazastreifens heftige Gefechte mit Maschinengewehren und Anti-Panzer-Waffen gegen die eingedrungenen Besatzertruppen", erklärte am Sonntagabend der bewaffnete Arm der Hamas. Unterdessen wuchs international die Sorge um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Israels Militär veröffentlichte am späten Sonntagabend Bildmaterial, das eine beträchtliche Anzahl von Panzern, Infanterie und Artillerie in palästinensischem Gebiet zeigen soll. Das Militär gab an, mehr als "450 Terror-Ziele, darunter Kommandozentralen, Beobachtungsposten und Anti-Panzer-Abschussposten" getroffen zu haben.
Die Essedin-al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, teilten mit, sie hätten "Mörsergranaten und Raketen" auf einen israelischen Militärstützpunkt in Eres gefeuert. Eres ist der wichtigste Grenzübergang zwischen Israel und dem Gazastreifen, seit dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist er geschlossen.
Die israelische Armee griff derweil nach eigenen Angaben am Sonntagabend weiter den Norden des Gazastreifens aus der Luft und mit Artilleriefeuer an. Es seien "Terroristen identifiziert" worden, die in der Nähe des Grenzübergangs aus einem Tunnel gekommen seien. Israelische Soldaten hätten diese "konfrontiert, getötet und verletzt", erklärte die Armee.
In Erwartung eines erbitterten Tür-zu-Tür-Kriegs in den Städten des Palästinensergebiets mahnte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari palästinensische Zivilisten erneut, Richtung Süden in ein "sichereres Gebiet" zu gehen.
Die Hamas hatte am 7. Oktober einen beispiellosen Großangriff auf Israel begonnen. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1400 Menschen getötet. Zudem verschleppte die radikalislamische Palästinenserorganisation laut neuen Armeeangaben vom Sonntagabend 239 Menschen in den Gazastreifen. Zuvor war die Zahl der Geiseln mit 229 angegeben worden. Vier der Entführten ließ die Hamas inzwischen frei.
Als Reaktion auf den Großangriff riegelte Israel den Gazastreifen ab und startete massive Luftangriffe. Dabei wurden nach von unabhängiger Seite nicht überprüfbaren Hamas-Angaben vom Sonntag mehr als 8000 Menschen getötet.
International wächst indes weiter die Sorge über die Auswirkungen von Israels Offensive auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Am Sonntagabend erreichten nach UN-Angaben 33 Lastwagen mit Hilfslieferungen über den Grenzübergang in Rafah den Gazastreifen. Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) begrüßte die jüngsten Lieferungen, bekräftigte aber die Notwendigkeit "eines weitaus größeren" Bedarfs an Hilfen.
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, warnte nach einem Besuch in Rafah vor der Blockade von Hilfslieferungen. Dies könne "eine Straftat darstellen, für die das Gericht zuständig ist", sagte Khan. Er wolle gegenüber Israel deutlich machen, dass "unverzüglich erkennbare Anstrengungen unternommen werden müssen", um sicherzustellen, dass die Zivilbevölkerung im von der Hamas regierten Gazastreifen "mit Grundnahrungsmitteln und Medikamenten versorgt wird".
Auch US-Präsident Joe Biden hatte in einem Telefonat mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag eine "deutliche und sofortige" Erhöhung der Hilfslieferungen gefordert.
Unterdessen verschärfte sich die Situation an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Kämpfer der Hamas nahmen am Sonntag aus dem Südlibanon heraus Ziele in Israel unter Beschuss. Auch die pro-iranische Schiitenmiliz Hisbollah und der bewaffnete Arm der radikalislamischen Organisation Dschamaa Islamija griffen nach eigenen Angaben Ziele in Israel an. Die israelische Armee erklärte, sie habe das Feuer erwidert.
Das israelische Militär teilte zudem mit, es habe "militärische Infrastruktur auf syrischem Boden" als Antwort auf Beschuss auf israelisches Staatsgebiet angegriffen.
Israel warf der Hamas im Zusammenhang mit den von ihr verschleppten Geiseln "Psychospiele" vor. "Die Hamas nutzt zynisch diejenigen aus, die uns lieb sind", sagte Verteidigungsminister Joav Gallant. Er bezog sich damit offensichtlich auf eine Hamas-Erklärung vom Samstag, wonach die radikale Organisation alle Geiseln freilassen werde, wenn im Gegenzug alle palästinensischen Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.
ma/mhe