Ein Machtkampf im Palast erschüttert das jordanische Königreich: Die Regierung vereitelte nach eigenen Angaben am Wochenende ein Komplott und stellte den Halbbruder des Königs, Hamsa bin Hussein, wegen Vorwürfen der Verschwörung unter Hausarrest. Mindestens 16 Verdächtige seien festgenommen worden. Die Unruhen im Palast haben einen internen Machtkampf in dem Königreich offengelegt, das bislang als Stabilitätsanker im Nahen Osten galt. Die USA, Israel und mehrere Golfstaaten stärkten König Abdullah II. den Rücken.
Hamsa und weiteren Verdächtigen wird vorgeworfen, mit ausländischen Kräften zusammengearbeitet zu haben, um Jordaniens Stabilität und "Sicherheit zu untergraben", wie der stellvertretende Regierungschef Ayman Safadi am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Amman sagte. Neben den Verdächtigen Bassem Awadallah und Scherif Hassan bin Said, die führende Posten innehatten, seien 14 bis 16 weitere mutmaßliche Beteiligte festgenommen worden.
Der frühere Kronprinz Hamsa steht eigenen Angaben zufolge unter Hausarrest. Er hat demnach keinen Zugang zu Telefon oder Internet. Hamsa sei aufgefordert worden, "Aktivitäten zu unterlassen, die verfolgt werden könnten, um der Stabilität und der Sicherheit des Königreichs zu schaden", erklärte Jordaniens Generalstabschef Jussef Huneiti.
Der 41-jährige Hamsa bestritt am Samstag in einem von der BBC veröffentlichten Video, in eine Verschwörung verwickelt zu sein. Er sei kein Teil eines Komplotts, betonte Hamsa. Zugleich übte er massive Kritik an der Regierung und unterstrich, er sei nicht verantwortlich "für den Zusammenbruch der Regierungsführung, die Korruption und für die Inkompetenz" in der Führung des Landes.
In Jordanien sei es nicht mehr möglich, seine Meinung zu äußern oder die Behörden zu kritisieren, "ohne eingeschüchtert, belästigt oder bedroht" zu werden, sagte Hamsa. Die jordanischen Behörden seien der Ansicht, dass "ihre persönlichen und finanziellen Interessen und ihre Korruption wichtiger sind als das Leben, die Würde und die Zukunft der zehn Millionen Menschen, die hier leben". Das Land sei "in Korruption, Vetternwirtschaft und Misswirtschaft versunken".
Am Sonntagabend kündigte Hamsa in einer im Kurzbotschaftendienst Twitter veröffentlichten Audioaufnahme an, sich den von jordanischen Behörden verhängten Einschränkungen zu widersetzen. "Natürlich werde ich nicht gehorchen, wenn sie sagen, du darfst nicht raus gehen, du darfst nicht twittern, du darfst nicht mit Menschen kommunizieren", sagte er. Gleichzeitig kündigte er jedoch an, keine weiteren "Schritte" ergreifen und eine "Eskalation" vermeiden zu wollen.
Hamsas Mutter, Königin Nur, bezeichnete ihren Sohn und die weiteren Festgenommenen am Sonntag als "Opfer einer bösartigen Verleumdung". Sie bete dafür, dass "Wahrheit und Gerechtigkeit obsiegen", schrieb sie bei Twitter.
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate betonten indessen ihre volle Unterstützung für König Abdullah II. und Kronprinz Hussein. Solidarisch mit der Führung in Amman äußerten sich auch der Golfkooperationsrat und die Arabische Liga.
Auch der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, versicherte Abdullah die "volle Unterstützung" seines Landes. Der Monarch sei "ein wichtiger Partner der Vereinigten Staaten". Washington verfolge die Geschehnisse in Jordanien weiterhin "genau".
Israels Verteidigungsminister Benny Gantz erklärte, Jordanien sei "ein Nachbar und strategischer Verbündeter, mit dem wir friedliche Beziehungen haben". "Wir müssen alles Notwendige tun, um dieses Bündnis zu erhalten", forderte er.
Jordanien, ein Land mit zehn Millionen Einwohnern, hat eine große strategische Bedeutung im Nahen Osten. Es hat mit Israel Frieden geschlossen, grenzt unter anderem an Israel und das besetzte Westjordanland und ist zur Heimat von Millionen Palästinensern im Exil geworden. Auch mehr als eine halbe Million Flüchtlinge aus dem benachbarten Syrien haben in Jordanien Zuflucht gefunden.
König Abdullah II., der den Thron 1999 nach dem Tod seines Vaters König Hussein bestiegen hatte, hatte Hamsa zunächst entsprechend dem Wunsch seines Vaters zum Kronprinzen gemacht. 2004 widerrief er dies jedoch und verlieh seinem eigenen Sohn Hussein diesen Titel.
Die Festnahmen erfolgten nur wenige Tage vor der 100-Jahr-Feier des Königreichs. Am 11. April 1921 hatte der damalige König Abdullah seine erste Regierung gebildet.
by KHALIL MAZRAAWI