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Gutachter sieht keine Pflichtverletzungen bei Kölner Kardinal Woelki

Papier enthält aber Vorwürfe gegen Erzbischof Heße und Kölner Weihbischof

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist im Gutachten zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im größten deutschen Bistum entlastet worden. Es seien keine Pflichtverletzungen bei Woelki feststellbar gewesen, sagte der Strafrechtler Björn Gercke am Donnerstag bei der Vorstellung seines Gutachtens. Gercke sagte, zu derselben Einschätzung sei auch das von Woelki unter Verschluss gehaltene Münchner Gutachten gekommen, ebenso der Vatikan.

In ihrer Untersuchung erhoben die Gutachter aber schwere Vorwürfe gegen den Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der früher in Köln tätig und lange Personalverantwortlicher war. Bei Heße hätten sich aus den Akten insgesamt elf Pflichtverletzungen ergeben. Davon seien sieben Pflichtverletzungen nicht ordnungsgemäß bearbeitete Missbrauchsfälle gewesen.

Auch der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, der 2004 Generalvikar in Köln wurde, steht mit auf der Liste der Beschuldigten. Der 53-Jährige soll sich acht Pflichtverletzungen schuldig gemacht haben. Zudem wird Schwaderlapps Vorgänger als Generalvikar, der ehemalige Dompropst Norbert Feldhoff, in dem Gutachten beschuldigt – dem emeritierten Feldhoff werden 13 Pflichtverletzungen vorgeworfen.

Ob und welche Konsequenzen das Gutachten hat, ist noch offen. Kardinal Woelki will das Gutachten in den kommenden Tagen mit den kirchlichen Gremien in Köln diskutieren und am Dienstag Konsequenzen benennen. Er hatte angekündigt, mögliche Verantwortliche vorläufig zu beurlauben und auch für sich selbst bei der Feststellung von Fehlverhalten Konsequenzen angekündigt. Woelki stand seit Wochen massiv in der Kritik, ihm wurde Vertuschung vorgeworfen. Er selbst bestritt bisher alle Vorwürfe.

Gercke und seine Mitgutachter sollten den Umgang des Erzbistums Köln mit Missbrauchsfällen im Zeitraum 1975 bis 2018 untersuchen, dies erfolgte auf Aktengrundlage. Insgesamt stellten die Gutachter 75 Pflichtverletzungen fest, die von acht lebenden oder verstorbenen Verantwortlichen begangen worden seien.

Die mit Abstand schwersten Vorwürfe machten die Gutachter dem 2017 verstorbenen Kölner Kardinal Joachim Meisner. Diesem seien 24 Pflichtverletzungen und damit fast ein Drittel aller Fälle vorzuwerfen. Auch dem 1987 verstorbenen Kardinal Joseph Höffner seien Pflichtverletzungen vorzuwerfen, befanden die Gutachter.

Gercke sagte, auf Grundlage der Aktenprüfung hätten sich 202 Beschuldigte ergeben und 314 Opfer sexuellen Missbrauchs. Von den mutmaßlichen Tätern seien 63 Prozent Kleriker gewesen – das heißt, 127 Priester machten sich im größten deutschen Bistum des Missbrauchs schuldig. Mehr als die Hälfte der Opfer seien Kinder im Alter unter 14 Jahren gewesen, ein mit 57 Prozent größerer Anteil der Opfer seien Jungen gewesen.

by JACK GUEZ

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