Die Grünen haben ihrer Parteiführung bei zentralen Fragen der Klimapolitik den Rücken gestärkt. Eine klare Mehrheit beschloss, dass der CO2-Preis bis 2023 nur auf 60 Euro ansteigen soll. Weitergehende Forderungen von Klimaaktivisten setzten sich nicht durch. Auch ein generelles Tempo 70 auf Landstraßen fand keine Mehrheit. Grünen-Chef Robert Habeck ging in seiner Rede auf die Fehler ein, die den Umfrage-Höhenflug gestoppt hatten. "Wir werden die Fehler abstellen", sagte er.
Der Fridays-For-Future-Aktivist Jakob Blasel hatte einen Änderungsantrag eingebracht, wonach der CO2-Preis bereits im kommenden Jahr auf 80 Euro steigen soll. Dies sei nach den Erkenntnissen der Wissenschaft erforderlich, hatte Blasel den Antrag begründet.
Demgegenüber verteidigte Habeck die Position des Bundesvorstandes. Für die Energiewende müssten gesellschaftliche Mehrheiten organisiert werden, der geforderte CO2-Preis stelle aber eine Überforderung dar. Zudem sei der CO2-Preis nicht das einzige Instrument, es gehe um einen "Maßnahmen-Mix" für ausgewogenen Klimaschutz.
Der CO2-Preis entscheidet mit über die künftige Höhe des Benzinpreises. Die Grünen mit ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock waren zuletzt mit Forderungen in die Kritik geraten, den Benzinpreis schneller anzuheben als bislang geplant.
Die Delegierten lehnten einen weiteren Änderungsantrag ab, der eine Rücknahme der Senkung der EEG-Umlage verlangte. Dem zuzustimmen, wäre wegen der zu erwartenden Strompreissteigerung ein "fatales Signal" im Wahljahr, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer.
Der Parteitag bekräftigte die Grünen-Forderung nach einem Tempolimit von 130 auf Autobahnen. Abgelehnt wurde aber die Forderung nach einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 Stundenkilometern auf Landstraßen. Dies wäre "viel zu undifferenziert", sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Pendler hätten darunter zu leiden.
Schließlich lehnten die Delegierten mit großer Mehrheit einen Antrag ab, den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bereits für 2025 anzupeilen. Damit bleibt es im Wahlprogramm beim Datum 2030. Das gesamte Kapitel "Lebensgrundlagen schützen" wurde am Abend mit großer Mehrheit beschlossen.
Habeck stimmte die rund 700 Delegierten auf die Bundestagswahl in dreieinhalb Monaten ein. "Wir Bündnis90/Die Grünen stehen vor dem Wahlkampf unseres Lebens", sagte er. Seine Partei wolle die notwendigen tiefgreifenden Veränderungen so gestalten, dass die Menschen nicht überfordert würden.
Die Aufgabe sei es, in der Klimapolitik "ungefähr doppelt so schnell" zu sein wie in der Vergangenheit, sagte Habeck mit Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien oder das Einsparen von CO2. Es reiche nicht, zu sagen, "da wollen wir hin und den Weg dahin nicht zu beschreiben", betonte der Grünen-Chef unter Anspielung auf die große Koalition.
Mit Blick auf den Rückgang der Umfragewerte nach einem "furiosen Start" räumte Habeck erneut ein, dass Fehler gemacht worden seien. An seine Partei appellierte er, "für die Zukunft mit Gelassenheit und Stärke durch dick und dünn" zu gehen.
Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter kritisierte Union und SPD in der Klimapolitik als "heuchlerisch". Sie seien bei der Reform des Klimaschutzgesetzes "nicht von der Sache" getrieben gewesen, sondern von dem Wunsch, das Thema für den Wahlkampf "abzuräumen", sagte er auf dem Parteitag.
Im Mittelpunkt des zweiten Beratungstags am Samstag steht die Rede Baerbocks. Sie soll gemeinsam mit Habeck das Wahlkampf-Spitzenduo stellen. Beide sollen von den Delegierten in diese Position gewählt werden, Baerbock soll zudem als Kanzlerkandidatin bestätigt werden.
by John MACDOUGALL