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Grüne kritisieren SPD-Vorstoß zu verbalen Belästigungen als "populistisch"

Ein Vorstoß der SPD-Fraktion zur strafrechtlichen Bekämpfung von verbalen sexuellen Belästigungen hat Kritik der Grünen hervorgerufen. "Wir stehen nicht zur Verfügung für populistische Entwürfe, die dann in der Praxis keine Anwendung finden", sagte die Grünen-Obfrau im Bundestags-Rechtsausschuss, Canan Bayram, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern vom Mittwoch. Sie kritisierte zudem, dass den Grünen als Koalitionspartner das Positionspapier nicht vorliege.

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte das Papier am Dienstag beschlossen. Die Hauptforderung ist die Schaffung eines neuen Straftatbestands für gezielte, offensichtlich unerwünschte und erhebliche sexuelle Belästigung.

Bayram sagte dazu: "Klar ist: Strafrecht darf stets nur Ultima Ratio sein." Es müsse "hinterfragt werden, welche Straftatbestände erforderlich sind und welche Verhaltensweisen von der Gesellschaft für strafwürdig erachtet werden, die bisher nicht strafbar sind", sagte die Grünen-Abgeordnete weiter.

Von Seiten der FDP kam dagegen Zustimmung zu den Forderungen der SPD. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr, sagte der Mediengruppe Bayern: "Als Ampel-Koalition streben wir ganz kurzfristig eine umfangreiche Überarbeitung des Strafrechts an." Ziel sei es, "eine fundierte umfassende Reform auf den Weg bringen, die auf Evidenz basiert. Im Zuge dessen solle auch das Strafgesetzbuch auf Schutzlücken überprüft werden.

Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, kritisierte das Vorgehen der SPD: "Es ist, befürchte ich, eine recht konsequenzenlose Schein-Handlung." Das Problem der sexuellen Belästigung lasse sich nicht von heute auf morgen durch einen neuen Strafrechtparagrafen lösen. "Damit macht man es sich etwas einfach", so Reichinnek.

Zuvor hatte bereits die Union die Forderungen der SPD als kaum umsetzbar eingeschätzt. "Die Grenzen zu nicht sanktionswürdigen Äußerungen sind oftmals fließend und der Nachweis wird leider kaum zu führen sein", sagte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), der Mediengruppe Bayern.

Die SPD-Bundestagsfraktion teilte am Mittwoch mit, sexuelle Belästigungen seien für Frauen allgegenwärtig. "Noch häufiger als körperliche Belästigungen sind verbale Übergriffe." Daher habe die Bundestagsfraktion das Positionspapier für mehr Sicherheit für Frauen im öffentlichen Raum beschlossen. 

Die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge erklärte, Gewalt gegen Frauen werde in der Gesellschaft oft noch immer nicht ernst genommen, "obwohl das Ausmaß riesig ist". Auch verbale sexuelle Belästigungen würden verharmlost, "dabei sind die Folgen erheblich: von der Vermeidung bestimmter öffentlicher Orte durch die Betroffenen bis hin zu psychischen Folgen wie Depressionen, Schlafstörungen und Antriebsarmut". Die SPD wolle daher "erhebliche verbale sexuelle Belästigungen unter Strafe stellen".

Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sonja Eichwede, ergänzte: "Unerwünschte sexuelle Belästigungen verletzen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und würdigen Frauen zum Sexualobjekt herab." Sie fügte hinzu: "Obwohl jede einfache Beleidigung strafbar ist, sind selbst obszöne, anstößige und einschüchternde verbale sexuelle Belästigungen im Regelfall straflos." Hier bestehe Handlungsbedarf.

cha/pw