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Grüne im Saarland nicht mit Zweitstimme wählbar

Bundeswahlausschuss weist Beschwerde gegen Ablehnung der Landesliste zurück

Wahlberechtigte im Saarland können bei der Bundestagswahl mit der Zweitstimme nicht die Grünen wählen. Der Bundeswahlausschuss wies am Donnerstag die Beschwerde der Partei gegen die Entscheidung des saarländischen Landeswahlausschusses zurück, die dortige Landesliste nicht zuzulassen. Hintergrund sind Fehler bei der Aufstellung der Liste. Die Entscheidung ist endgültig. Damit können im Saarland nur Grünen-Direktkandidaten gewählt werden.

Die Saar-Grünen hatten erst nach großen innerparteilichen Turbulenzen eine Landesliste aufgestellt. Eine erste Liste erntete große Kritik, weil mit dem Ex-Landesvorsitzenden Hubert Ulrich ein Mann auf den ersten Platz gewählt wurde, was dem Frauenstatut der Grünen widerspricht. Ulrich ist zudem innerparteilich umstritten. Die Liste wurde letztlich nie bei der Landeswahlleiterin eingereicht. Stattdessen wurde - kurz vor Fristende - Mitte Juli eine neue Liste gewählt.

An der entscheidenden Vertreterversammlung nahmen allerdings aufgrund einer Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der Grünen keine Delegierten aus dem Ortsverein Saarlouis teil, zu dem auch Ulrich gehört. Das Bundesschiedsgericht hatte die Delegiertenwahl in Saarlouis moniert, weil auswärtigen Parteimitgliedern, die der Sitzung beiwohnen wollten, dies zum Teil erlaubt und zum Teil verweigert worden war.

Landeswahlleiterin Monika Zöllner sprach in der Sitzung des Bundeswahlausschusses von einem "Machtkampf" innerhalb der Landes-Grünen. Wären sie bei der Aufstellung der Landesliste dabei gewesen, hätten die Delegierten aus Saarlouis rund ein Drittel der Versammlungsmitglieder ausgemacht und somit die Listenaufstellung entscheidend beeinflussen können. Die auf Listenplatz eins gewählte Jeanne Dillschneider hätte in diesem Fall wohl nicht die nötigen Stimmen bekommen, mutmaßte Zöllner.

Der Bundeswahlausschuss kam zu der Auffassung, dass der Ausschluss der Delegierten aus Saarlouis von der Listenaufstellung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Der Ausschussvorsitzende, Bundeswahlleiter Georg Thiel, kritisierte die Grünen: "Ich finde, die Partei hätte sehen müssen, in welches Problem wir hier hineinkommen und hätte rechtzeitig Vorkehrungen treffen müssen, dass wir nicht in diese Lage hineinkommen", sagte er.

Ein Bündnis innerhalb der saarländischen Grünen, zu dem auch Dillschneider gehört, kündigte an, wegen der abgelehnten Liste nach der Bundestagswahl Wahlprüfungsbeschwerde einzulegen. Das "Grüne Bündnis Saarland" forderte außerdem "sofortige Konsequenzen und eine vollständige Aufarbeitung" der Vorgänge rund um die Listenaufstellung. Dillschneider warf Ulrich vor, er habe den Landesverband "ins Chaos gestürzt".

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner äußerte Bedauern über die Entscheidung des Bundeswahlausschusses. "Es ist insbesondere für die Menschen bitter, die im Saarland mit der Zweitstimme gern eine grüne Landesliste gewählt hätten", erklärte er. In den vergangenen Wochen habe es in der Landespartei Bestrebungen gegeben, "in einer verfahrenen Situation einen Neuanfang zu wagen. Dieser Neuanfang wird nun einen noch längeren Atem brauchen."

Der Bundeswahlausschuss diskutierte die Angelegenheit am Donnerstag lange und kontrovers. Letztlich stimmten sechs der zehn anwesenden Ausschussmitglieder für die Zurückweisung der Parteibeschwerde, zwei votierten dagegen, zwei enthielten sich. Das Gremium hat eigentlich elf Mitglieder; der von den Grünen in den Ausschuss entsandte Hartmut Geil erklärte sich aber für befangen und nahm nur als Zuschauer teil.

Der Bundeswahlausschuss entschied noch über eine Reihe weiterer Beschwerden in Zusammenhang mit Landeslisten. Erfolg hatte dabei unter anderem die Bremer AfD, deren Landesliste doch noch zugelassen wurde, nachdem der Landeswahlausschuss dies abgelehnt hatte.

by THOMAS KIENZLE