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Grüne dringen auf Nachbesserungen an EU-Asylentscheidung

Die Grünen dringen auf Nachbesserungen an der innerparteilich heftig umstrittenen EU-Asylentscheidung. Familien mit Kindern dürften grundsätzlich nicht in die geplanten EU-Grenzverfahren kommen, heißt es in dem am Samstag nach einer kontrovers und emotional geführten Debatte auf dem kleinen Parteitag in Bad Vilbel gefassten Beschluss. Vor einer endgültigen Entscheidung über die künftige EU-Asylpolitik wollen die Grünen die weiteren Verhandlungsergebnisse dazu bewerten und davon ihre Zustimmung oder Ablehnung abhängig machen.

Damit setzte sich der Bundesvorstand mit dem von ihm eingebrachten Leitantrag durch. Dieser wurde jedoch in den Beratungen auf dem Grünen-Länderrat erheblich verschärft. Neben den Ausnahmen für Familien wird auch gefordert, dass "Mitgliedstaaten nicht zur Durchführung von Grenzverfahren verpflichtet werden". Die endgültigen Positionierungen zu den Rechtsakten, über die noch in der EU zwischen Regierungen, Kommission und Parlament verhandelt wird, "werden wir davon abhängig machen, ob unter dem Strich Verbesserungen in der Europäischen Asylpolitik und auch für Europa stehen."

Diesem parteiinternen Kompromiss stimmten auch Außenministerin Annalena Baerbock und weitere führende Politikerinnen und Politiker der Grünen zu, deren Unterstützung für die EU-Asylpläne zuvor innerparteilich kritisiert wurde. Ein weitergehender Antrag der Grünen Jugend, der "rote Linien" für die weiteren Verhandlungen formuliert hatte und sich grundsätzlich gegen "Haft und Lager an den Außengrenzen" wandte, erhielt keine Mehrheit.

Baerbock rechtfertigte auf dem kleinen Parteitag ihre Billigung des zwischen den EU-Innenministerinnen und -ministern ausgehandelten Kompromisses zur gemeinsamen Asylpolitik. "Auch mich hat es zerrissen", sagte sie jedoch, es sei "eine ganz schwierige Abwägung" gewesen. Es habe jedoch die Gefahr bestanden, dass sich manche Länder in der Flüchtlingspolitik an gar keine Regeln mehr halten und "dass Europa wieder in nationalstaatliche Vorgehensweisen zerfällt".

Als positiv wertete Baerbock, dass es zumindest gelungen sei, eine begrenzte Ausweitung des europäischen Verteilmechanismus für Geflüchtete zu vereinbaren. Der Beschluss des Länderrats schreibt zudem fest: "Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch." Asylanträge von Menschen, die über einen anderen Staat in die EU einreisen, dürften "nicht einfach als unzulässig abgelehnt" werden, entscheidend müsse immer die Einzelfallprüfung bleiben". Die Grünen bekennen sich auch zu einer Stärkung der Seenotrettung im Mittelmeer.

In der Debatte distanzierten sich viele Rednerinnen und Redner klar von den bisherigen EU-Beschlüssen. "Ich sage mit aller Deutlichkeit, dass ich diese europäische Asylrechtsverschärfung falsch finde", sagte Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré. Es sei richtig, dass eine Partei in Verhandlungen bereit sein müsse, auch von Positionen abzurücken, aber dazu gehöre nicht "ein Abrücken von Grund- und Menschenrechten".

Parteichef Omid Nouripour mahnte zur Einigkeit: "Der politische Gegner ist nicht hier im Raum, sondern da draußen bei denen, die die UN-Flüchtlingskonvention aufheben wollen." Allerdings machten Rednerinnen und Redner fast einmütig deutlich, dass sie auch denen, die in der Partei andere Positionen vertreten, nicht ihren Einsatz für eine menschlichere Flüchtlingspolitik absprechen.

In einem weiteren Beschluss bekannte sich der Grünen-Länderrat am Mittag zu einer Politik für "klimaneutralen Wohlstand" und Sicherheit. "Zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung für morgen erreichen wir mit der Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Quellen", heißt es in dem Text. Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte die Partei davor, sich angesichts von Widerständen "in die Nische treiben zu lassen". Scharfe Kritik äußerten Delegierte an CSU-Chef Markus Söder und anderen führenden Politikern der Union, die sich in der Debatte über die Klimapolitik rechtspopulistische Attacken zu eigen machten.

bk/hcy