Wegen mutmaßlicher umfassender illegaler Einschleusung von Arbeitskräften aus Osteuropa für die Fleischbranche hat die Bundespolizei eine Großrazzia in fünf Bundesländern ausgeführt. Die Razzia begann am Mittwoch in den frühen Morgenstunden und dauerte einige Stunden später noch an, wie ein Sprecher der Bundespolizei-Sektion für Mitteldeutschland der Nachrichtenagentur AFP sagte. Rund 800 Beamte seien im Einsatz. Die Razzia richtete sich demnach gegen zwei Zeit- und Leiharbeitfirmen aus Deutschland und Polen.
Der Schwerpunkt der Razzia lag nach Angaben des Sprechers in Sachsen-Anhalt, Durchsuchungen fanden demnach auch in Sachsen, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen statt. Die Razzia war dem Sprecher zufolge nicht auf die Fleischindustrie beschränkt, konzentrierte sich jedoch "überwiegend" auf diese Branche.
Im Fokus der Ermittlungen stehen demnach zehn Tatverdächtige im Alter zwischen 41 und 56 Jahren, darunter sechs Deutsche, drei Polen und eine Ukrainerin. Bei den Untersuchungen seien unter anderem Datenträger beschlagnahmt worden, um das "sehr komplizierte Firmenkonstrukt" der Verdächtigen zu durchleuchten. Dabei handle es sich um eine deutsche Firma mit mehreren Tochtergesellschaften hierzulande. Zudem sei eine polnische Firma mit einer Zweigstelle in Deutschland betroffen.
Die Beschuldigten sollen vor allem ukrainische Staatsangehörige mit gefälschten rumänischen Identitätsnachweisen ausgestattet haben, sagte der Sprecher weiter. Mit diesen seien sie dann an deutsche Unternehmen vermittelt worden. Um welche Unternehmen es sich dabei handelte, wollte der Sprecher nicht sagen.
Bei der Razzia seien mehr als 20 Menschen festgestellt worden, die mit den gefälschten Dokumenten nach Deutschland gekommen seien. Sie sollen nun vernommen werden. Haftbefehle wurden demnach zunächst nicht vollzogen.
Hintergrund der Razzia ist den Angaben zufolge, dass die Bundespolizei bei ihren Kontrollen an Grenzübergängen und Bahnhöfen über die Zeit hinweg eine große Zahl von Reisenden mit falschen Dokumenten angehalten hatte. Daraufhin sei eine Sonderkommission zur Einschleusung von Leiharbeitern eingerichtet worden.
Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind im Zuge der Corona-Krise stark in die Kritik geraten. In der Branche gab es eine Serie von Ausbrüchen des neuartigen Erregers, was Kritiker auf die Arbeitsbedingungen sowie die Unterbringung vieler Beschäftigter in beengten Gemeinschaftsunterkünften zurückführen. In den Schlachtbetrieben sind viele Osteuropäer tätig, die von Subunternehmen beschäftigt werden.
Die Bundesregierung brachte als Reaktion auf die Coronavirus-Ausbrüche einen Gesetzentwurf für Reformen in der Fleischindustrie auf den Weg. Der Entwurf sieht vor, dass Großschlachthöfe bei der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine von Partnerfirmen beschäftigten Arbeiter mehr einsetzen dürfen, sondern nur eigenes Personal. Auch die Unterbringung von Schlachthofmitarbeitern soll verbessert und die behördlichen Kontrollen in den Betrieben erhöht werden. Die Regelungen sollen zum 1. Januar in Kraft treten.
by Von Marc MUDRAK