Die Niederlage von Präsident Donald Trump bei der Wahl in den USA hat in Deutschland die Hoffnung auf bessere Beziehungen nach Jahren der Entfremdung geweckt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte dem Demokraten Joe Biden am Samstag demonstrativ herzlich zum Sieg: "Unsere transatlantische Freundschaft ist unersetzlich", schrieb sie auf Twitter. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sieht unter einem Präsidenten Biden die Chance auf einen "transatlantischen Neuanfang".
Die ersten Reaktionen in Berlin waren von Freude über Bidens Sieg geprägt - und von kaum kaschierter Erleichterung über das absehbare Ende von Trumps Präsidentschaft. "Die Art und Weise, wie Donald Trump regiert hat und auch wie er international agiert hat, hat uns große Probleme bereitet", sagte Maas der "Bild". Es gebe "einiges wieder ins Lot zu bringen im transatlantischen Verhältnis, und ich bin mir sicher, dass das mit Joe Biden gut gelingen wird".
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wies in einem Glückwunschschreiben an den Sieger auf die weltweite Bedeutung des Ergebnisses hin: Mit Bidens Präsidentschaft verbinde sich bei "unzähligen Menschen" die "Hoffnung auf eine neue Gemeinsamkeit".
Die traditionell engen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA hatten während Trumps Präsidentschaft stark gelitten. Trump übte immer wieder teils aggressive Kritik an Deutschland - etwa wegen des seiner Ansicht nach zu niedrigen Wehretats und wegen des hohen deutschen Exportüberschusses. Die politischen Kontakte auf höchster Ebene nahmen im Vergleich zu früheren Zeiten deutlich ab, die Zeichen von Distanz und Entfremdung waren nicht zu übersehen.
Umso herzlicher fielen die Glückwünsche aus Berlin an den versierten Transatlantiker Biden aus. Sie freue sich auf die "künftige Zusammenarbeit mit Präsident Biden", schrieb Merkel. Europa und die USA müssten zusammenarbeiten, "wenn wir die großen Herausforderungen dieser Zeit bewältigen wollen". Merkel wünschte Biden und der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris "von Herzen Glück und Erfolg". Auf Trump ging sie in ihrer Botschaft nicht ein.
Regierungsmitglieder in Berlin kündigten ein aktives Zugehen auf die künftige US-Regierung an. "Wir wollen in unsere Zusammenarbeit investieren, für einen transatlantischen Neuanfang, einen New Deal", erklärte Maas. Er kündigte "konkrete Vorschläge" etwa zum Umgang mit Akteuren wie China, zum Klimaschutz und zum Kampf gegen die Corona-Pandemie an. "Wir sind als Europäer bereit, uns noch stärker in dieser Partnerschaft einzubringen."
Bundeswirtschaftsminister Peter Altaier (CDU) reagierte geradezu euphorisch auf Bidens Sieg. "Hunderte Millionen Menschen rund um den Globus jeden Alters und aus allen Klassen fühlen sich vereint und inspiriert", twitterte er. "Sowas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen."
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wies auf die "vielen Gemeinsamkeiten" mit den USA hin. Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sieht nun die Chance auf ein "neues und spannendes Kapitel in den transatlantischen Beziehungen".
Auch aus der Opposition in Berlin kamen positive Reaktionen. Linken-Chefin Katja Kipping erklärte, Bidens Wahl sei eine "gute, wenn auch keine beruhigende Nachricht", denn "knapp die Hälfte der Stimmen bekam ein großmäuliger Lügner".
Die Grünen-Fraktionschefs Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt richteten ihren Blick auch auf die künftige Vizepräsidentin Harris: Es sei "historisch und besonders erfreulich ist es, dass nun erstmals eine schwarze Frau das Amt der Vizepräsidentin übernehmen wird". FDP-Chef Christian Linder zeigte sich erleichtert: Auch bei einem Präsidenten Biden werde "nicht jede Meinungsverschiedenheit verschwinden", es gebe aber die Chance auf einen Neuanfang.
Einen deutlich distanzierteren Ton schlug die AfD an, die aus ihrer Präferenz für Trump vor der Wahl keinen Hehl gemacht hatte. Die AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland erklärten: "Wir akzeptieren die demokratisch zustande gekommene Entscheidung der amerikanischen Bürger und sind zuversichtlich, dass mögliche Unregelmäßigkeiten bei den Auszählungen schnell auf rechtsstaatlichem Wege geklärt werden."
by Von Peter WÜTHERICH