Für Großbritannien hat eine neue Ära begonnen: Mit dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion in der Nacht zum Freitag ist der Brexit nach einer Übergangszeit von elf Monaten endgültig vollzogen. Um Mitternacht (MEZ) trat ein Post-Brexit-Abkommen in Kraft, das einen harten wirtschaftlichen Bruch zwischen Großbritannien und der EU vermeiden soll. Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von einem "großartigen Moment" für sein Land.
Um 23.00 Uhr (00.00 Uhr MEZ) läutete der Glockenschlag von Big Ben das neue Kapitel in der Geschichte des Landes ein - nach 48 Jahren als Teil der europäischen Staatengemeinschaft.
"Wir halten unsere Freiheit in unseren Händen und es liegt an uns, das Beste daraus zu machen", sagte Johnson am Donnerstagabend in seiner Neujahrsansprache. Das Vereinigte Königreich könne die Dinge künftig "anders - und wenn nötig besser - als unsere Freunde in der EU handhaben", sagte Johnson. Das Land könne "Handelsabkommen rund um die Welt" abschließen.
"Wir müssen unsere eigenen Entscheidungen treffen", verteidigte Maureen Martin, eine Rentnerin aus der englischen Hafenstadt Dover, die Brexit-Entscheidung. Ihrer Ansicht nach hätte Großbritannien 1973 "nie" der Europäischen Gemeinschaft beitreten sollen.
Johnsons Euphorie und die der Brexit-Anhänger teilte der EU-Chefunterhändler Michel Barnier nicht: "Niemand konnte mit den Mehrwert des Brexit aufzeigen, nicht einmal Herr Farage", sagte Barnier dem Radiosender RTL mit Blick auf den Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage. "Es ist eine Scheidung, man kann eine Scheidung nicht feiern."
Großbritannien war zum 1. Februar als erstes Land in der Geschichte der europäischen Staatengemeinschaft aus der EU ausgetreten. Damals feierten die "Brexiteers" den EU-Austritt auf den Straßen, während die Gegner des Brexit Mahnwachen abhielten und Kerzen anzündeten. In diesem Jahr sind wegen der Corona-Pandemie keine öffentlichen Veranstaltungen geplant.
Das Post-Brexit-Abkommen, das zahlreiche Handels- und Zollfragen regelt, war erst in letzter Minute am 24. Dezember vereinbart worden. Das Abkommen soll Chaos in den beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen verhindern - ohne den Deal hätten ab Freitag Lieferprobleme und lange Grenzstaus gedroht. Für einen regulären Ratifizierungsprozess mit der Zustimmung durch das EU-Parlament reichte die Zeit bis zum Jahresende nicht mehr aus. Daher sollen die vereinbarten Regeln zunächst mindestens bis zum 28. Februar übergangsweise angewandt werden.
Wenige Stunden vor dem endgültigen Vollzug des Brexit wurden am Donnerstag auch die letzten Stolpersteine aus dem Weg geräumt: Die Regierungen in London und Madrid erzielten eine Grundsatzeinigung über die künftigen Regeln für Gibraltar. Für die britische Exklave sollen künftig die Bestimmungen des Schengen-Abkommens gelten.
Die Regeln für den Grenzverkehr für die britische Exklave Gibraltar im Süden Spaniens waren bis zuletzt umstritten. Indem nun die Regeln des Schengen-Raums gelten sollen, sind Grenzübertritte ohne Passkontrolle weiterhin möglich. Ohne die Einigung wäre die Grenze zwischen Gibraltar und Spanien ab Freitag zu einer "harten Grenze" zwischen Großbritannien und der EU geworden.
by Von Jitendra JOSHI