Als erstes westliches Land hat Großbritannien eine großangelegte Impfkampagne gegen das Coronavirus gestartet. Vor laufender Kamera erhielt die 90-jährige Margaret Keenan am Dienstag um 07.31 Uhr in einem Krankenhaus von Coventry die erste Dosis mit dem Impfstoff der Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer. Premierminister Boris Johnson sprach von einem "gewaltiger Impfschuss in den Arm für die gesamte Nation", mahnte aber weiterhin zur Vorsicht.
Keenan, die kommende Woche 91 wird, bezeichnete die Impfung als ihr "bestes verfrühtes Geburtstagsgeschenk". Sie freue sich schon darauf, im nächsten Jahr endlich wieder Zeit mit ihrer Familie und Freunden verbringen zu können, sagte die vierfache Großmutter und riet allen Landsleuten, sich ebenfalls impfen zu lassen: "Wenn ich das mit 90 Jahren tun kann, können Sie es auch". Dabei trug sie ein buntes T-Shirt mit der Aufschrift "Merry Christmas".
Nach Keenan erhielt William Shakespeare vor laufenden Kameras seine Impfdosis. Er sei begeistert, sagte der 81-Jährige, der wie sein berühmter Namensvetter aus der englischen Grafschaft Warwickshire kommt. Verabreicht wurde den beiden Senioren die Spritze von May Parsons, einer aus den Philippinen stammenden Krankenschwester, die seit 23 Jahren für den britischen Gesundheitsdienst NHS arbeitet.
Mit 61.000 Toten ist Großbritannien das am schwersten von der Corona-Krise betroffene Land in Europa. Als erstes westeuropäisches Land hatte es am vergangenen Mittwoch eine Impf-Notfallzulassung erteilt.
Nach Angaben der Regierung sollen zunächst 800.000 Impfdosen des Mainzer Pharmaunternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer verabreicht werden, bis Ende Dezember sollen es bis zu vier Millionen Dosen sein. Vereinbart wurde eine Lieferung von insgesamt 40 Millionen Dosen.
Weitere Impfstoffe könnten bald folgen: Insgesamt hat die britische Regierung bei sieben Produzenten 357 Millionen Dosen bestellt. Besondere Hoffnung steckt sie in den Impfstoff-Kandidaten des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca und der Oxford-Universität, der sich einfacher transportieren und lagern lässt als das Vakzin von Biontech-Pfizer.
In 50 Impfzentren im ganzen Land erhalten Menschen aus der Hochrisikogruppe der über 80-Jährigen, Mitarbeiter in Pflegeheimen sowie besonders gefährdetes medizinisches Personal seit Dienstag den Immunschutz gegen Sars-CoV-2. "Das ist wie jede andere Impfung", sagte der Pfleger Stephen Pearson Perry nach seiner ersten Spritze der Nachrichtenagentur AFP. "Ich spüre nichts."
"Jetzt gibt es ein bisschen Hoffnung, also nur zu", sagte der 78-jährige Rentner John Bottomly. "Verabschieden wir uns von diesem bösartigen Virus, diesem Killer."
Benötigt werden jeweils zwei Impfungen im Abstand von 21 Tagen. Bis alle Briten, die es wünschen, geimpft sind, wird es noch Monate dauern. Zum Sommer "können wir alle wieder Urlaub machen", versprach die Impfbeauftragte Kate Bingham in der BBC.
Regierungschef Johnson rief seine Landsleute auf, sich weiter an die Schutzmaßnahmen zu halten. "Wir können es uns nicht leisten, in unseren Anstrengungen nachzulassen", sagte er bei einem Besuch in einem Londoner Krankenhaus. "Wir haben das Virus noch nicht besiegt".
Um auch Impfskeptiker zu überzeugen, versichern die britischen Behörden immer wieder, dass bei der Bewertung des Impfstoffs alle Sicherheitsstandards eingehalten worden seien. Zudem setzen sie auf die Vorbildfunktion von Prominenten, Online-Influencern - und der Queen: Medienberichten zufolge wollen sich die 94-jährige Monarchin Elizabeth II. und ihr 99-jähriger Mann, Prinz Philipp, bald - und möglicherweise öffentlich - impfen lassen.
by Von Martine PAUWELS