Die Spannungen zwischen China und Großbritannien haben einen neuen Höhepunkt erreicht: Als Reaktion auf das umstrittene chinesische Sicherheitsgesetz in Hongkong setzte London das Auslieferungsabkommen mit der Sonderverwaltungszone "sofort und auf unbestimmte Zeit" aus, wie Außenminister Dominic Raab am Montag verkündete. Peking hatte bereits zuvor gewarnt, dass London mit dem Schritt einen schwerwiegenden außenpolitischen Fehler mache und Vergeltungsmaßnahmen riskiere.
Wie Raab vor dem Parlament in London erklärte, wird Großbritannien zudem sein Waffenembargo für "potenziell tödliche Waffen" auf die Finanzmetropole ausweiten. Ein solches Embargo gilt bereits seit mehr als drei Jahrzehnten gegen Festlandchina.
Außenamtssprecher Wang Wenbin betonte am Montag, dass Peking sich "der Einmischung externer Kräfte in die Angelegenheiten Hongkongs widersetzen" werde. Die Unabhängigkeit der Justiz in der Finanzmetropole werde durch das neue Sicherheitsgesetz "nicht beeinträchtigt".
Seit der Einführung des sogenannten Sicherheitsgesetzes in Hongkong Ende Juni haben sich die Beziehungen zwischen London und Peking deutlich verschlechtert: Die britische Regierung kritisierte das Gesetz als "klare Verletzung" der Autonomie Hongkongs. Premierminister Boris Johnson kündigte bereits als Reaktion eine Lockerung der Einwanderungsgesetze für die Bewohner Hongkongs an, was Peking wiederum als eine "grobe Einmischung" in seine inneren Angelegenheiten anprangerte.
Johnson bezeichnete das Sicherheitsgesetz als "ernsthaften Verstoß" gegen den britisch-chinesischen Vertrag zur Übergabe der ehemaligen Kronkolonie an die Volksrepublik im Jahr 1997.
Das Sicherheitsgesetz erlaubt den chinesischen Behörden in Hongkong ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit bedrohen. International besteht die Sorge, dass die von China vertraglich zugesicherten Freiheiten und demokratischen Rechte für Hongkong mithilfe des Gesetzes nach und nach abgeschafft werden.
Derweil reagierte Peking scharf auf die Kritik Londons an Menschenrechtsverletzungen gegenüber der muslimischen Minderheit der Uiguren. Die Vorwürfe seien "nichts als Gerüchte und Verleumdung", sagte Außenamtssprecher Wang am Montag.
Großbritanniens Außenminister Raab hatte dem Sender BBC am Sonntag gesagt, es sei "klar, dass es schwerwiegende, schockierende Menschenrechtsverletzungen" in der chinesischen Region Xinjiang gebe, etwa Zwangssterilisationen und Massenfestnahmen.
Das chinesische Außenministerium teilte mit, in der Region Xinjiang gehe es nicht um Menschenrechte, Religion oder ethnische Gruppen, sondern um "den Kampf gegen Gewalt, Terrorismus und Separatismus". Die Berichte über Zwangssterilisationen und Massenfestnahmen seien "völliger Unsinn". Die uigurische Bevölkerung habe sich in den vergangenen vier Jahrzehnten mehr als verdoppelt.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind in Xinjiang mehr als eine Million Uiguren und andere Muslime in Haftlagern eingesperrt. Sie werden nach Angaben der Aktivisten zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise misshandelt. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von "Bildungszentren", die dem Kampf gegen islamistische Radikalisierung dienten.
Die USA sanktionierten am Montag elf chinesische Unternehmen, weil sie an der Verfolgung der uigurischen Minderheit beteiligt sein sollen, wie das Handelsministerium mitteilte. Den Firmen wird damit der Zugang zu US-Technologie und Produkten erschwert.
by -