Bei Protesten gegen soziale Ungerechtigkeit und gegen Polizeigewalt ist es am Samstag in Paris zu schweren Ausschreitungen gekommen. Demonstranten setzten in der französischen Hauptstadt Autos in Brand und attackierten die Polizei mit Wurfgeschossen, wie AFP-Reporter berichteten. Die Polizei setzte ihrerseits Tränengas ein. Laut Innenministerium wurden 64 Menschen festgenommen.
Mehrere tausend Menschen hatten sich am Nachmittag zu der Kundgebung in der Hauptstadt versammelt; unter den Demonstranten waren auch viele Anhänger der Gelbwesten-Bewegung. Immer wieder erklangen Sprechchöre wie "Die ganze Welt hasst die Polizei". Die zunächst friedliche Demonstration schlug schnell in Gewalt um. Entlang der Strecke wurden Autos und Barrikaden angezündet sowie Schaufenster von Banken und Supermärkten eingeschlagen.
Demonstrationen gab es auch in Toulouse im Südwesten Frankreichs, im südfranzösischen Montpellier, im westlichen Rennes und im ostfranzösischen Straßburg. In Bordeaux und Montpellier wurden Demonstrationen aus Angst vor gewaltsamen Ausschreitungen in den Innenstädten verboten. Insgesamt waren landesweit rund hundert Kundgebungen geplant.
Innenminister Gérald Darmanin erklärte im Kurzbotschaftendienst Twitter, in Paris seien 64 Menschen festgenommen worden. Die Polizei stehe "sehr gewalttätigen" Menschen gegenüber, acht Beamte seien verletzt worden. "Diese Randalierer machen die Republik kaputt", schrieb der Minister. Nach Angaben aus Polizeikreisen beteiligten sich bis zu 500 gewaltbereite Demonstranten an den Protesten.
Traditionell organisiert die Gewerkschaft CGT am ersten Samstag im Dezember Demonstrationen gegen soziale Ungerechtigkeit. Zu der Demonstration in Paris kamen in diesem Jahr viele Teilnehmer auch aus Wut über ein geplantes Sicherheitsgesetz, das seit Wochen für Proteste sorgt.
Die Teilnehmerzahlen blieben nach Angaben des Innenministeriums mit landesweit gut 50.000 Teilnehmern hinter mehr als 130.000 am vergangenen Wochenende zurück. In Paris hätten sich rund 5000 Menschen an den Protesten beteiligt, vergangene Woche seien es etwa 46.000 gewesen.
Vergangenes Wochenende waren bei gewaltsamen Demonstrationen Dutzende Menschen verletzt worden. Angefacht wurden die landesweiten Proteste durch Fälle von Polizeigewalt, die durch Videoaufnahmen bekannt geworden waren und landesweit für Entsetzen gesorgt hatten: Die gewaltsame Räumung eines Zeltlagers von Flüchtlingen in Paris und der brutale Polizeieinsatz gegen einen schwarzen Musikproduzenten in der Hauptstadt.
Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron will mit dem geplanten Gesetz für "umfassende Sicherheit" die Verbreitung von Foto- oder Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen unter Strafe stellen, wenn dadurch die "körperliche oder psychische Unversehrtheit" einzelner Beamter gefährdet wird. Mit dem Gesetz will die Regierung die Einsatzkräfte nach eigenen Angaben besser schützen.
Journalistenverbände befürchten jedoch eine massive Einschränkung der Pressefreiheit. Kritiker argumentieren zudem, dass in der Vergangenheit viele Fälle von Polizeigewalt ungestraft geblieben wären, wenn sie nicht gefilmt und die Aufnahmen im Internet verbreitet worden wären.
Angesichts der Proteste gegen das Gesetz hat die Regierungsmehrheit im Parlament inzwischen angekündigt, das umstrittene Filmverbot im Sicherheitsgesetz neu fassen zu wollen. Allerdings ist noch nicht bekannt, wie der Artikel genau verändert werden soll.
Macron wies am Freitagabend in einem Interview mit dem vor allem von jungen Menschen genutzten Online-Medium "Brut" den Vorwurf zurück, dass die Freiheitsrechte in Frankreich beschnitten würden. "Das ist eine große Lüge. Wir sind nicht Ungarn oder die Türkei", sagte er. Macron verurteilte sowohl das gewaltsame Vorgehen einzelner Polizisten als auch Gewalt gegen Sicherheitskräfte.
by Von Nicolas KIENAST