Kehrtwende gefordert: Jede vierte Klinik-OP soll von Praxis-Ärzten durchgeführt werden
Gesundheit wird immer teurer in Deutschland, insbesondere die Kosten für Klinikbesuche und Operationen steigen kontinuierlich an. Angesichts dieser Entwicklung fordern die Kassenärzte eine drastische Kehrtwende: Künftig sollen nicht mehr nur Kliniken, sondern auch Praxis-Ärzte etwa ein Viertel aller Klinik-Operationen durchführen. Der Chef der Kassenärzte, Andreas Gassen, erklärt in einem Interview mit BILD: "Wir müssen bei den Operationen eine Kehrtwende machen. Es gibt immer noch viel zu viele stationäre Behandlungen in Deutschland. Von den 16 Millionen Operationen pro Jahr könnten drei bis vier Millionen ambulant durchgeführt werden, also auch von niedergelassenen Ärzten." Konkret schlägt Gassen vor, Leistenbruch- und Gelenkoperationen so zu gestalten, dass die Patienten morgens in die Klinik kommen und am Nachmittag nach der Operation wieder nach Hause gebracht werden. Diese Operationen könnten von Praxis-Ärzten in kleinen OP-Zentren durchgeführt werden. Ein weiterer Aspekt der Kehrtwende ist die bessere Information der Patienten über geeignete Kliniken für ihre Bedürfnisse.
Kostenersparnis und mögliche Beitragssenkung
Die bisherige Praxis in Deutschland sieht vor, dass rund 90 Prozent aller Leistenbruch-Operationen in Kliniken durchgeführt werden. In Frankreich sind es nur etwa ein Drittel und in England ein Viertel. Laut Gassen könnte durch diese Kehrtwende eine mögliche Kostenersparnis von bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr erzielt werden. "Damit könnte die angekündigte Beitragserhöhung für 2024 entfallen", meint der Ärztechef. Das würde je nach Einkommen für Arbeitnehmer eine Einsparung von bis zu 120 Euro bedeuten. Ein weiterer möglicher Effekt dieser OP-Revolution wäre die Ausschließung vieler Risiken für die Patienten. Gassen erklärt: "Sie könnten unmittelbar nach den Eingriffen zurück in ihre gewohnte Umgebung und Infektionen durch gefährliche Krankenhauskeime würden dadurch reduziert." Gassen betont jedoch, dass die Vergütung für Praxis-Ärzte angepasst werden müsste. Aktuell werden beispielsweise Leistenbruch- und Gelenkoperationen im Krankenhaus dreimal höher abgerechnet.
Reformpläne des Gesundheitsministers
Um die Kostenexplosion in den Krankenhäusern zu stoppen, plant auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (60, SPD) eine Reform. Er beabsichtigt unter anderem eine Änderung der Finanzierung durch "Vorhaltepauschalen". Zudem sollen sich Kliniken stärker auf einzelne Fachgebiete und Operationen spezialisieren.