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Gericht: Thüringer AfD darf nicht öffentlich als Prüffall bezeichnet werden

Verwaltungsgericht Weimar gibt Klage von Partei gegen Verfassungsschutz statt

Die AfD in Thüringen darf vom Verfassungsschutz nicht öffentlich als Prüffall bezeichnet werden. Das entschied das Verwaltungsgericht Weimar in einem am Montag verkündeten Urteil und gab damit einer Klage des AfD-Landesverbands statt. Eine öffentliche Äußerung des Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer im September 2018, in der er den AfD-Landesverband als Prüffall eingestuft habe, sei rechtswidrig. (Az: 8 K 1151/19 We)

Nach Auffassung des Gerichts griff der Verfassungsschutzpräsident mit seiner öffentlichen Äußerung in das im Grundgesetz verankerte Recht der AfD ein, als politische Partei gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Sie sei geeignet gewesen, die Mitwirkung der Partei an der politischen Willensbildung des Volks und ihre Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien negativ zu beeinflussen.

Das Stadium der Einstufung als sogenannter Prüffall, in dem der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zunächst nur vermutet werde, rechtfertige noch keine Informationen durch den Verfassungsschutz. Dies setze vielmehr "sichere Erkenntnisse" über solche Bestrebungen oder zumindest tatsächliche Anhaltspunkte voraus, erklärte das Gericht.

Die Äußerungen des Verfassungsschutzes seien auch nicht durch das Pressegesetz oder das allgemeine Recht zu staatlichem Informationshandeln gedeckt. Das Gericht betonte zugleich, dass mit dem Urteil keine rechtliche Bewertung verbunden sei, "ob der Thüringer Landesverband der AfD als 'Prüffall' behandelt werden darf oder nicht". Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Thüringer Verfassungsschutz hat den AfD-Landesverband unter seinem Vorsitzenden Björn Höcke schon länger im Fokus. Inzwischen stufte er die Partei Medienberichten zufolge als gesichert extremistisch ein. Es lägen "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" vor.

Im vergangenen Jahr stufte die Verfassungsschutzbehörde den Landesverband als Verdachtsfall ein. Das bedeutet, dass auch hier geheimdienstliche Mittel zur Beobachtung eingesetzt werden dürfen, beispielsweise Observation oder das Sammeln von Informationen über sogenannte V-Leute.

Auf Bundesebene darf das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD bis zum Abschluss eines Eilverfahrens vor dem Kölner Verwaltungsgericht nicht als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen und beobachten. Das Verwaltungsgericht will erst nach der Bundestagswahl über entsprechende Klagen der Partei entscheiden - voraussichtlich im ersten Quartal kommenden Jahres.

In einem weiteren Fall wies das Verwaltungsgericht Weimar Klagen von Höcke und dem AfD-Landesverband gegen den Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten wegen weiterer Äußerungen in Medien ab. Das Gericht wertete die betreffenden Aussagen von Kramer als "inhaltlich neutral".

by INA FASSBENDER