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Gereizte Töne vor neuer Corona-Spitzenrunde von Bund und Ländern

Brinkhaus beklagt "Kleinstaaterei" - Günther kritisiert "dümmliches Gerede"

Vor den neuen Corona-Beratungen am Mittwoch im Kanzleramt wird der Tonfall in der politischen Debatte zunehmend gereizt. Die Infektionszahlen steigen, der Unmut über die Beherbergungsverbote wächst, und die Forderung nach einheitlicheren Corona-Regeln wird lauter. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) forderte am Dienstag von der Bund-Länder-Spitzenrunde ein "klares Signal gegen die Kleinstaaterei". Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bezeichnete derartige Kritik als "ziemlich dümmliches Gerede" und kritisierte die "hektische Einladung" ins Kanzleramt.

Die Positionen der Bundesländer lagen vor dem Spitzentreffen weit auseinander. Ein Anzeichen für die Brisanz der Lage dürfte sein, dass die Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den 16 Länderchefinnen und -chefs nicht wie zuvor als Videoschalte abgehalten werden - die Kanzlerin lud zu einem Treffen mit Präsenz ins Kanzleramt ein. Die "Bild"-Zeitung zitierte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) mit den Worten, angesichts der dramatischen Infektionslage könne die Debatte eine "historische Dimension" annehmen.

In der Debatte vor dem Treffen wurden zum Teil gereizte Töne angeschlagen. Schleswig-Holsteins Regierungschef Günther kritisierte die Vorbereitung des Spitzentreffens im Kanzleramt. "Diese hektische Einladung hat schon im Vorfeld ziemlich viele seltsame Vorschläge von Politikern außerhalb der Konferenz provoziert", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Deutschland sei gut mit regionalen Corona-Regeln gefahren, sagte Günther. "Diesen Erfolg jetzt als Kleinstaaterei abzutun und von Flickenteppichen zu schwadronieren, halte ich für ziemlich dümmliches Gerede."

Die Differenzen zwischen den Bundesländern zeigten sich besonders in der umstrittenen Frage der Beherbergungsverbote. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) lehnte eine Lockerung der strengen Beherbergungs-Beschränkungen in ihrem Bundesland ab: "Wir sind mit unseren strengen Regeln von Anfang an gut gefahren", sagte sie in der ARD.

Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will am Beherbergungsverbot festhalten. Er räumte ein, dass das Thema ein "Riesenaufreger" für die Bevölkerung sei. Sein Vorschlag: Um für Akzeptanz zu sorgen, müssten Reiseregelungen in den 16 Ländern möglichst einheitlich sein. "Das wird eine schwierige Kiste morgen", sagte er mit Blick auf die Spitzenberatungen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hingegen bekräftigte seine Kritik an den Reisebeschränkungen. "Das Beherbergungsverbot macht keinen Sinn und schafft nur Verwirrung und Unverständnis", sagte er dem Portal "ThePioneer".

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kritisierte die Beherbergungsverbote. "Wir müssen aufpassen, wenn einzelne Regeln wie das Beherbergungsverbot nicht nachvollzogen werden können", sagte er der "Bild". "Wenn Regeln Verwirrung stiften, leidet die Akzeptanz." Die Spitzenrunde müsse "mehr Einheitlichkeit dort vereinbaren, wo sie angezeigt ist".

Merkel zeigte sich abermals besorgt über die Pandemie-Entwicklung. "Ich beobachte mit großer Sorge die erneut ansteigenden Infektionszahlen eigentlich in fast allen Teilen Europas", sagte sie vor dem europäischen Ausschuss der Regionen. "Wir dürfen jetzt nicht das verspielen, was wir in den letzten Monaten durch Einschränkungen erreicht haben."

Politiker und Verbandsvertreter äußerten den Wunsch nach mehr Klarheit und Einheitlichkeit bei den Corona-Regeln. "Wir benötigen Klarheit für die Menschen in Deutschland - dies gilt insbesondere für innerdeutsche Reisen", sagte Unionsfraktionschef Brinkhaus in Hamburg.

Bayerns Regierungschef Söder mahnte: "Wir müssen jetzt in dieser Woche gemeinschaftlich die Weichen stellen, sonst besteht die Gefahr, dass es außer Kontrolle geraten könnte." Er verteidigte die Beherbergunsgverbote.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), verlangte hingegen: "Das Beherbergungsverbot muss noch einmal auf den Prüfstand. Gerade Hotels haben in einem großen Kraftakt die Hygienemaßnahmen umgesetzt und für Sicherheit gesorgt", schrieb er auf Twitter.

by Christof STACHE