Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt bringen sich die Parteien in Stellung für den Bundestagswahlkampf. Der Ton in der großen Koalition wird rauher: CDU und CSU warfen der SPD am Montag unfaire Wahlkampf-Rhetorik vor, die SPD ihrerseits kündigte eine schärfere Abgrenzung von der Union an. Die FDP sieht sich durch das Ergebnis von Sachsen-Anhalt bestärkt. Grüne und Linke zeigten sich enttäuscht. Die AfD sprach von "Motivation" für die Bundestagswahl.
Vertreter der GroKo-Parteien erweckten am Tag nach der Landtagswahl den Eindruck, dass der Vorrat an Gemeinsamkeiten allmählich aufgebraucht sei. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte, die SPD müsse deutlich machen, dass sie bei ihren Kernanliegen "mit diesem Koalitionspartner immer im entscheidenden Moment nicht weiterkommt". Ko-Chefin Saskia Esken warb für eine "progressive Koalition". Das schlechte SPD-Ergebnis in Sachsen-Anhalt wertete sie als "enttäuschend".
Führende Unionspolitiker reagierten gereizt auf die SPD - insbesondere auf deren Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Maskenaffäre. CDU-Chef Armin Laschet sagte dazu: "Das stößt die Menschen ab." Seine Partei werde sich im Bundestagswahlkampf um eine "sachliche Auseinandersetzung" bemühen, "wir werden in diesen Ton nicht einsteigen". Im CDU-Bundesvorstand sagte Laschet nach AFP-Informationen über die SPD: "Die gehen immer weiter runter und zerstören sich."
CSU-Chef Markus Söder warf der SPD "Aggressivität" innerhalb der Bundesregierung vor. Es sei schade, dass die SPD "einfach auch nichts lernt", sagte er in München mit Blick auf das schwache Abschneiden der SPD in Sachsen-Anhalt. "Die Aggressivität, mit der sie in der Regierung jetzt wieder vorgeht und versucht, Klein- und Kleinstpunkte zu machen, führt nicht zu Akzeptanz."
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) legte der SPD Unaufrichtigkeit zur Last. Die Vorwürfe gegen Spahn seien "von Fakten einfach nicht gedeckt", sagte sie nach AFP-Informationen im CDU-Bundesvorstand. Es gehe der SPD offensichtlich darum, "die Pandemiebekämpfung im schlechten Licht darzustellen".
Während die CDU ihren klaren Sieg in Sachsen-Anhalt als Stärkung für die Bundestagswahl wertete, bemühten sich die Grünen um Schadensbegrenzung. Eine Lehre aus Sachsen-Anhalt sei, dass seine Partei sich "intensiv" mit Themen jenseits des Klimaschutzes befassen müsse, sagte Parteichef Robert Habeck. Von den Bundes-Grünen habe die Partei in Sachsen-Anhalt zuletzt "sicherlich keinen Rückenwind" bekommen.
Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow warnte davor, Rückschlüsse aus dem schlechten Abschneiden ihrer Partei in Sachsen-Anhalt auf die Bundestagswahl zu ziehen. Die Umfragewerte seien "sehr beweglich" sagte sie. Die Linke werde sich im Wahlkampf deutlich von den anderen Parteien abgrenzen: "Jetzt ist nicht die Zeit für Kompromisse, und jede Partei kämpft für sich allein."
FDP-Chef Christian Lindner wertete den Wiedereinzug der Liberalen in den Landtag von Sachsen-Anhalt auch als Signal für die Bundestagswahl. Das Ergebnis unterstreiche den "gesamtdeutschen Gestaltungsanspruch" der FDP, sagte er. Es bestärke den Kurs der Bundespartei.
In der Bundes-AfD fiel die Bewertung des Ergebnisses von Sachsen-Anhalt uneinheitlich aus. Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla deutete es als "absolute Motivation" für die Bundestagswahl. Zugleich räumte er ein, dass sich die AfD in Sachsen-Anhalt ein besseres Ergebnis erhofft hatte. Die Partei hatte dreieinhalb Prozent gegenüber 2017 verloren, blieb aber klar zweitstärkste Kraft.
by Tobias Schwarz