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Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus - und Warnungen vor neuen Gefahren

Knobloch und Weisband sprechen als Gedenkrednerinnen im Bundestag

Mit zutiefst persönlich gefärbten Reden einer Zeitzeugin des Holocaust und einer Vertreterin der jungen Generation von Juden in Deutschland hat der Bundestag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Die 88-jährige Charlotte Knobloch berichtete am Mittwoch im Plenum von Hass und Verfolgung, die sie als Kind selbst miterlebt hatte. Die 33 Jahre alte Marina Weisband sprach von den Gefahren, denen Juden auch heute noch in Deutschland ausgesetzt sind.

Verbindendes Thema der Reden in der Gedenkstunde des Bundestags war die Warnung vor dem Erstarken von Antisemitismus und anderen Gewaltideologien. Knobloch, die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München ist, legte vor den Abgeordneten ein Bekenntnis zu dem Land ab, das sie als ihre Heimat betrachtet: "Ich stehe vor Ihnen als stolze Deutsche", sagte sie.

"Unser Land leistet viel, dass jüdische Menschen sicher sind und hoffentlich nie wieder allein", fuhr Knobloch fort. Und dennoch wüchsen ihre Sorgen: Antisemitismus, Verschwörungstheorien und Rechtsextremismus bekämen Zulauf. "Ich trage schwer daran, dass sich in den Wunsch nach Normalität immer wieder die alten Sorgen mischen", sagte sie. Freunde und Bekannte dächten laut darüber nach, "doch noch auszuwandern".

Knobloch wandte sich im Plenum direkt an die AfD. "Ich kann nicht so tun, als kümmerte es mich nicht, dass Sie hier sitzen", sagte sie. Für die Ewiggestrigen habe sie eine Botschaft: "Sie werden weiter für Ihr Deutschland kämpfen, und wir werden weiter für unser Deutschland kämpfen - und ich sage ihnen: Sie haben Ihren Kampf vor 76 Jahren verloren."

Zweite Gedenkrednerin im Bundestag war die Publizistin und Grünen-Politikerin Marina Weisband. Die 1987 in der Ukraine geborene Weisband berichtete davon, dass es für Juden und Jüdinnen in Deutschland auch heute noch fast unmöglich sei, "einfach nur Menschen" zu sein. Sie müssten aus Sicherheitsgründen ihre Jüdischsein verstecken und unsichtbar machen.

"Einfach nur Mensch zu sein ist Privileg derer, die nichts zu befürchten haben aufgrund ihrer Geburt", sagte Weisband. "Einfach nur Mensch zu sein bedeutet, dass jüdisches Leben in Deutschland unsichtbar gemacht wird" - denn es sei "gefährlich, sichtbar zu sein".

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zu Beginn der Sitzung all jene Gruppen erwähnt, denen das Gedenken gelte: Es gelte den europäischen Juden, den Sinti und Roma, den slawischen Völkern, den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, den Kriegsgefangenen und allen dem Hungertod Ausgelieferten.

Gedacht werde zudem der aus politischen Gründen oder religiösen Motiven Verfolgten und Ermordeten sowie all jenen, "die sich mutig dem NS-Regime widersetzten, die ihre Menschlichkeit bewahrten und das mit dem Leben bezahlten". Schäuble erinnerte an das "Leid von Homosexuellen, an die Menschen mit Behinderungen und an das Schicksal der als 'Asoziale' Ausgestoßenen".

Zum Abschluss der Gedenkstunde übernahmen Repräsentanten der Bundesrepublik in einer Zeremonie die Patenschaft über eine restaurierte Torarolle der früheren jüdischen Gemeinde von Sulzbach in der Oberpfalz. Rabbiner Schaul Nekrich vollendete im Andachtsraum des Bundestags die letzten Buchstaben der Tora. Die Rolle stammt aus dem Jahr 1793; erst vor einigen Jahr wurde sie zufällig wiedergefunden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief in einer Botschaft zum Holocaust-Gedenktag zu Zivilcourage gegen Antisemitismus auf: "Wir müssen unsere Sinne wachhalten, Vorurteile und Verschwörungstheorien erkennen und ihnen mit Vernunft, Leidenschaft und Entschiedenheit entgegentreten."

Der 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführte Holocaust-Gedenktag erinnert an die Befreiung von Auschwitz. Vor 76 Jahren war das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit worden.

by Tobias SCHWARZ