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Früherer IS-Chefanwerber Abu Walaa zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt

Zudem Haftstrafen gegen drei Mitangeklagte – Verteidigung spricht von "Märchen"

Nach fast dreieinhalbjährigem Prozess hat das Oberlandesgericht Celle den unter dem Namen Abu Walaa bekannten IS-Chefanwerber in Deutschland zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der 37-jährige Abdulaziz Abdullah A. sei von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) als "Vertreter in Deutschland eingesetzt" und autorisiert worden, in ihrem Namen zu handeln sowie neue Mitglieder zu rekrutieren, sagte der Vorsitzende Richter Frank Rosenow am Mittwoch bei der Urteilsverkündung. Zusammen mit Abu Walaa wurden drei weitere Mitangeklagte zu teils langen Haftstrafen verurteilt.

Nach einer langwierigen und komplexen Beweisaufnahme sahen es die Richter als erwiesen an, dass Abu Walaa und die anderen Beschuldigten in den Jahren 2014 und 2015 vor allem junge Mitglieder der salafistischen Szene in Deutschland weiter radikalisierten und zum Anschluss an den IS motivierten.

Auch deren Ausreise in das IS-Herrschaftsgebiet in Syrien und dem Irak unterstützten sie logistisch und finanziell, etwa durch Vermittlung von Kontakten. Dabei wirkten sie nach Einschätzung des Gerichts zwar teilweise zusammen, bildeten jedoch kein straff organisiertes, festgefügtes Netzwerk.

Rosenow hob in seiner Urteilsbegründung die herausgehobene Stellung Abu Walaas in Deutschland hervor. Dieser sei im Tatzeitraum eine "führende Autorität mit hoher Strahlkraft" in der dschihadistisch-salafistischen Szene in Deutschland gewesen. Der von dem gebürtigen Iraker geführte Deutsche Islamkreis Hildesheim (DIK) habe aufgrund seines Rufs Radikale angezogen.

Abu Walaa habe zugleich persönlich Kontakt zur IS-Führung unterhalten und dort Einfluss besessen, etwa um von ihm vermittelte Rekruten in wichtige Positionen zu bringen. Außerdem habe er Ausreisewillige selbst logistisch "tatkräftig in vielfältiger Weise unterstützt", sagte Rosenow.

Bei den anderen Angeklagten handelte es sich um drei Mitglieder der salafistisch-islamistischen Szene in Nordrhein-Westfalen im Alter von 33 bis 54 Jahren, die innerhalb der gut vernetzten Szene ebenfalls in eigenen Veranstaltungen für den IS warben, junge Leute indoktrinierten und bei der Ausreise zum IS unterstützten. Sie wurden zu Haftstrafen zwischen acht Jahren und gut vier Jahren verurteilt.

Während Abu Walaa der Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation schuldig gesprochen wurde, erfolgte die Verurteilung der anderen drei Angeklagten wegen Unterstützung. Dazu kamen weitere Delikte wie Beihilfe zu einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Einige der von den Beschuldigten angeworbenen Ausreisewillige begingen Anschläge.

Abu Walaa wurde bereits im November 2016 festgenommen und sitzt seither in Haft, der DIK wurde im März 2017 verboten. Der Prozess in Celle begann einige Monate später und dauerte insgesamt 245 Verhandlungstage. Richter Rosenow sprach von einem "besonderen Verfahren", das auch strafrechtlich "aus dem Rahmen" gefallen sei.

Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer elfeinhalb Jahre Haft für Abu Walaa gefordert, die Verteidigung einen Freispruch. Alle Angeklagten hatten die Vorwürfe in dem Verfahren persönlich oder über ihre Anwälte zurückgewiesen. Die Verteidigung von Abu Walaa sprach in einem kurzen Schlussvortrag unmittelbar vor dem Urteil erneut von einem "Märchen".

Eine zentrale Rolle in der Beweisführung spielte ein Kronzeuge. Dieser hatte sich früher selbst im Umkreis von Abu Walaa bewegt und war zeitweise selbst nach Syrien gegangen, um sich dem IS anzuschließen. Später sagte er sich von der Miliz los und kooperierte mit den deutschen Behörden.

Belastet wurden Abu Walaa und die übrigen Angeklagten auch durch Aussagen eines V-Manns, der dem Verfassungsschutz aus der Szene berichtete. Eine Rolle spielte auch ein Geständnis eines früheren vierten Mitangeklagten, dessen Verfahren abgetrennt wurde und im vergangenen Jahr mit einer Haftstrafe von gut drei Jahren endete.

Die Verteidigung der Beschuldigten zweifelte die Glaubwürdigkeit dieser Belastungszeugen an und warf ihnen eigene juristische oder finanzielle Interessen vor. Die Beweisaufnahme dauerte nach Angaben von Rosenow auch deshalb so lange, weil die Verteidigung während der Verhandlungen hunderte Beweisanträge in diesem Zusammenhang stellte, um die Aussagen der Zeugen zu hinterfragen.

by Von Sebastian BRONST