Die Front in der SPD gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugköpern an die Ukraine bröckelt. Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz sprach sich am Sonntag für die Abgabe des Waffensystems aus. Auch sein Parteikollege Nils Schmid schloss dies nicht mehr aus. Der FDP-Politiker Markus Faber sah auch bei Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kein kategorisches Nein.
"Die Gegenoffensive stockt, eine nennenswerte Luftwaffe zur Unterstützung hat die Ukraine nicht", sagte Schwarz dem "Wir". "Da bleiben nur Lenkwaffen wie Taurus-Marschflugkörper, mit denen die ukrainische Armee die von den Russen angelegten Minenfelder überwinden und Territorium zurückerobern könnte."
Zuvor hatten sich aus der Ampel-Koalition bereits Vertreter von FDP und Grünen für die Lieferung ausgesprochen. Verteidigungsminister Pistorius sieht "keinen dringenden Entscheidungsbedarf" und äußerte am Freitag weiter "Bedenken".
Der Minister verwies dabei auf die große Reichweite von mehr als 500 Kilometer des bunkerbrechenden Waffensystems. Damit wäre auch russisches Staatsgebiet erreichbar. Die Ukraine hat allerdings zugesichert, westliche Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet einzusetzen.
Der SPD-Politiker Schwarz ging davon aus, dass Kiew diese Zusage ebenfalls bei den Taurus-Marschflugkörpern einhalten würde. "Auch mit den bereits gelieferten Artilleriesystemen Mars und Himars könnten die Ukrainer russisches Gebiet erreichen, was bisher ja vermieden wurde", sagte er.
Ähnlich äußerte sich die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger im "Wir". Sie schlug eine Übereinkunft mit Kiew vor: "Deutschland und die Ukraine können zum Beispiel vereinbaren, dass bestimmte Gebiete ausgenommen werden oder die Waffen ausschließlich gegen militärisch relevante Ziele eingesetzt werden."
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, betonte, dass die Taurus-Lieferung grundsätzlich keine rote Linie für seine Partei darstelle. "Ich schließe nicht aus, dass wir im Verbund mit den Amerikanern auch zusätzliche andere Systeme wie Taurus liefern werden", sagte er dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). "Vorher muss sichergestellt werden, dass die Ukrainer selbst die Zielprogrammierung übernehmen können und nicht Bundeswehrsoldaten das tun – das würde uns gefährlich nahe an eine direkte Kriegsbeteiligung bringen."
Die Sorge, dass die Taurus auch gegen Ziele auf russischem Gebiet eingesetzt werden würden, hat auch Schmid nicht. "Wir haben uns bisher stets auf entsprechende Absprachen mit Kiew verlassen können."
Schwarz warnte davor, Zeit zu verlieren: "Ich sehe ein Déjà-vu auf uns zukommen", sagte der Berichterstatter für den Verteidigungsetat im Haushaltsausschuss des Bundestags dem "Wir". "Wie schon in der Panzerfrage lehnen wir jetzt die Abgabe von wichtigem Gerät ab, das am Ende wohl doch geliefert werden wird."
"Es ist gut, dass Verteidigungsminister Pistorius die Lieferung von Taurus-Systemen nicht ausdrücklich ausschließt", sagte der FDP-Verteidigungspolitiker Faber dem "Tagesspiegel". "Für mich hört sich das so an, als ob auch manche seiner militärischen Berater das für den nächsten logischen Schritt halten."
Die Vorbehalte wegen der hohen Reichweite ließen sich auch durch technische Vorkehrungen ausräumen, betonte Faber. "Die Geodaten der Taurus-Marschflugkörper lassen sich so programmieren, dass sie nur in einem bestimmten Gebiet eingesetzt werden können."
mt/ran