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Free-TV-Premiere "Get Out": Clevere Sozialkritik in Horror-Verpackung

Mit Oscar prämiert

Ein schwarzer Mann, der mit einer weißen Frau zusammen ist. In der heutigen, aufgeschlossenen Zeit doch das Normalste der Welt - möchte man meinen. "Get Out" (Free-TV-Premiere: 9. November, 22:55 Uhr, ZDF) von Regisseur Jordan Peele (41) nimmt sich dieser Thematik an und hüllt die damit einhergehende Sozialkritik, die seit der "Black Lives Matter"-Bewegung aktueller denn je ist, geschickt in ein neues Genre-Gewand. Aus dem "bösen schwarzen Mann" wird in "Get Out" der Held eines eindringlichen Horrorfilms, der beim Kennenlernen seiner schneeweißen Schwiegereltern in spe buchstäblich durch die Hölle geht.

Darum geht es in "Get Out"

Chris (Daniel Kaluuya, 31) könnte nicht glücklicher sein. Als Fotograf hat er ein Auge für die besonderen Momente des Lebens, seine Karriere geht durch die Decke. Und auch in der Liebe läuft es: bis über beide Ohren ist er in seine hübsche Freundin Rose (Allison Williams, 32) verliebt. Nur eines bereitet ihm Sorgen: Wie werden seine ahnungslosen Schwiegereltern darauf reagieren, dass ihre Tochter mit einem Afroamerikaner zusammen ist? Schnell scheinen sich allerdings all seine Zweifel in Luft aufzulösen, als er überschwänglich von Roses Eltern empfangen wird.

Sowohl Mutter Missy (Catherine Keener, 61) als auch ihr Vater Dean (Bradley Whitford, 61) scheinen von der ersten Sekunde regelrecht einen Narren an Chris gefressen zu haben. Doch ebenso schnell verfliegt die Illusion des Landidylls und Neuankömmling Chris beginnt, sich und Rose unangenehme Fragen zu stellen: Warum hat das reiche Elternpaar nur schwarze Bedienstete? Weshalb verhalten sich diese wie debile Psychopathen? Und was hat es mit Roses Mutter auf sich, die Chris per Hypnose um jeden Preis das Rauchen abgewöhnen will? Binnen kürzester Zeit schreien all seine Instinkte unisono: "Get Out" - raus hier!

"Get Out" nimmt sich Alltagsrassismus vor

"Nur weil du eingeladen wurdest heißt das nicht, dass du willkommen bist". Das Hauptplakat von "Get Out", das zum Kinostart 2017 die Straßen säumte, verriet schon so einiges über den Film. Und das, obwohl darauf doch nur Hauptfigur Chris schreiend in einem Sessel vor strikt getrenntem, schwarz-weißen Hintergrund sitzt. Es ist exakt diese Trennlinie zwischen Schwarz und Weiß, die der Film mit teils überdeutlicher Bildsprache und Aussagen der Protagonisten in den rund 105 Minuten Laufzeit thematisiert. Und die Scheinheiligkeit vieler ach so liberaler Menschen aufdeckt.

Da schwärmt der Familienvater (Bradley Whitford) in einem Moment von Präsident Obama (59), dem "besten Präsidenten seit Lincoln". Ein Familienfreund beteuert später, wie gerne er doch Golfspieler Tiger Woods (44) habe. Erst nach und nach erfährt der Zuschauer, welche alptraumhafte Absicht hinter dieser Faszination für Afroamerikaner steckt. Derartig unbeholfene Versuche reicher, weißer Männer, ihre vermeintliche Progressivität kundzutun und damit ihren Alltagsrassismus erst so richtig zu unterstreichen, nutzt "Get Out" geschickt, um aus ihnen den Stoff für einen nervenaufreibenden Horrorfilm zu spinnen.

Daniel Kaluuya überzeugt auf ganzer Linie

Einigen Zuschauern ging dieses wortwörtliche Schwarz-Weiß-Denken von "Get Out" zu weit. Jeder Weiße im Streifen wirkt wie eine Ausgeburt der Hölle. Das sei "umgedrehter Rassismus", gab es in einigen Kommentaren erboster US-Zuschauer beim Release vor drei Jahren gar zu lesen. Derartige Beschuldigungen verloren aber schnell ihre Grundlage.

"Get Out" verkehrt ganz offenkundig die in vielen Filmen etablierten Versatzstücke und Rollenverteilungen. Dass "die Weißen" als die Bösewichte dargestellt werden, ist also keinesfalls aus Zufall oder latentem Rassismus geschehen. Vielmehr gibt "Get Out" jedem beleidigten Zuschauer, der sich über die Darstellung echauffiert, eine schallende Ohrfeige und ruft zeitgleich entgegen: "SO fühlt es sich an, wegen seiner Hautfarbe diskriminiert zu werden". Für einen Horrorfilm mit mickrigen 4,5 Millionen Dollar Budget eine Aussage, die so manches Multimillionen-Drama nicht besser an den (weißen) US-Mann bringen könnte. Das dies leider noch immer notwendig ist, zeigen die jüngsten Geschehnisse in den Vereinigten Staaten. Und auch hierzulande herrscht weiterhin Nachholbedarf in Sachen Alltagsrassismus.

Maßgeblich für den Erfolg dieser Botschaft ist Hauptdarsteller Daniel Kaluuya verantwortlich. Einen Film mit damals gänzlich unbekannten Schauspielern zu besetzten, kann immer ein Risiko, aber auch eine Chance sein. Sowohl Kaluuya als allzeit liebenswerte Hauptfigur, durch dessen Augen der Zuschauer die düstere Seite der amerikanischen Vorstadtidylle (David Lynchs "Blue Velvet" lässt grüßen) miterlebt, als auch Allison Williams als seine Freundin Rose haben diese Chance genutzt und Eigenwerbung betrieben. Denn, so viel sei verraten, auch Rose ist nicht die Person, für die sie sich ausgibt - ebenso wenig wie der Rest ihrer schrägen Familie.

Kein klassischer Horror-Thriller

"Get Out" ist in erster Linie als psychologischer Horror zu verstehen. Auf Blut und Gedärm muss der Splatterfan lange verzichten, auch der Showdown vergießt den Tomatensaft nicht in Litern. Stattdessen beweist "Get Out" in vielen Momenten sogar eine komödiantische Seite, wenn Chris nach und nach die dunklen Machenschaften seiner Schwiegereltern aufdeckt. Oft beraubt Komik einen Horrorfilm seines Schreckens, bei "Get Out" ergibt sich dabei aber ein stimmiger Genremix, der 2018 zu Recht den Oscar in der Kategorie "Bestes Originaldrehbuch" einfahren konnte.

Sehenswerter Genremix

"Get Out" ist einer der wenigen Horrorfilme, die mehr sein wollen als eine bloße Abfolge von Schockmomenten. Jordan Peele verbindet das Genre stattdessen geschickt mit Sozialkritik auf der einen und Humor auf der anderen Seite. Herausgekommen ist ein Mix mit sehr amerikanischer Thematik, vor der, wie spätestens die US-Wahl 2020 gezeigt hat, die gesamte Welt nicht die Augen verschließen darf.