Das wichtigste Reformvorhaben der Regierung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eine entscheidende Hürde genommen: Der französische Verfassungsrat billigte am Freitag die Anhebung des Renteneinstiegsalters von 62 auf 64 Jahre und weitere Kernpunkte der Reform. Macron hat damit grünes Licht dafür, die Anhebung des Rentenalters binnen zwei Wochen in Kraft zu setzen. Gewerkschaften und Oppositionsvertreter kündigten bereits Widerstand an, für den Abend wurden zahlreiche Protestaktionen im Land erwartet.
Der Verfassungsrat verwarf eine Reihe von Nebenaspekten der Reform. Zudem wies er einen Antrag der linken Opposition auf einen Volksentscheid über die Reform ab. Gegen Entscheidungen des Verfassungsrats können in Frankreich keine Rechtsmittel eingelegt werden. Macrons Plänen zufolge soll das Gesetz zur Rentenreform nun bis September wirksam werden.
Seit der Verabschiedung des Rentenreform-Gesetzes durch einen legalen Verfassungskniff hatten sich die Proteste in den vergangenen Wochen zunehmend radikalisiert. Macron hatte bereits vor der Entscheidung des Verfassungsrats angekündigt, danach erneut den Kontakt zu den Gewerkschaften zu suchen.
Diese erklärten jedoch am Freitagabend nach der Entscheidung, sie seien zu keinem Treffen mit der Regierung vor dem 1. Mai bereit. Für den Tag der Arbeit riefen sie zu einer "außergewöhnlichen Mobilisierung" auf. Die Gewerkschaften forderten Macron zudem auf, die Reform nicht zu unterzeichnen. Dies sei die einzige Möglichkeit, um die "Wut" im Land zu beruhigen.
In Paris versammelten sich am Freitag vor dem Rathaus Demonstranten zu einer Protestveranstaltung, zu der mehrere Gewerkschaften aufgerufen hatten. Die Bekanntgabe der Entscheidung des Verfassungsrats wurde von Buhrufen begleitet.
Die Polizei befürchtete für den weiteren Verlauf des Abends Ausschreitungen. Einem Bericht des französischen Inlandsgeheimdiensts, der der der Nachrichtenagentur AFP vorlag, wurden 131 Protestaktionen erwartet. Das Gebäude des Verfassungsrats wurde von Absperrungen geschützt und stand unter strenger Bewachung der Polizei. Demonstrationen in der Umgebung waren bis Samstagmorgen verboten.
Der Chef der linkspopulistischen Partei La France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, erklärte nach der Entscheidung des Verfassungsrats, der "Kampf" gegen die Rentenreform gehe weiter. Die bei zwei Präsidentschaftswahlen gegen Macron unterlegene Rechtspopulistin Marine Le Pen sagte, das "politische Schicksal" der Reform sei noch "nicht besiegelt".
Premierministerin Élisabeth Borne sagte nach der Entscheidung des Verfassungsrats, diese bedeute das "Ende des demokratischen Prozesses" zu dem Gesetz, es gebe in dem Streit um die Reform "weder Sieger noch Besiegte".
Mit der Reform soll das Renteneintrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Dabei sind weiterhin Ausnahmen für Menschen vorgesehen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind oder besonders beschwerliche Berufe haben. Zudem wird die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1200 Euro angehoben. Mehr als zwei Drittel der Franzosen lehnen die Rentenreform ab.
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