Vor der nächsten Beratungsrunde von Bund und Ländern zur Corona-Pandemie fordert Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) neue Kriterien zur Risikobewertung. Es gehe darum, "alle Entwicklungen genau im Blick zu haben" und nicht nur die reinen Infektionszahlen, sagte Laschet dem "Handelsblatt" vom Freitag. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) mahnte eine bundesweit verbindliche Teststrategie an. Spahn riet derweil von Herbsturlaub im Ausland ab.
Die Beratungen der Länderchefs mit Merkel finden am kommenden Dienstag statt. Vize-Regierungssprecherin Martina Fietz sagte in Berlin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) blicke weiter "mit großer Sorge auf das Pandemiegeschehen". Sie habe "immer wieder betont, dass wir noch lange nicht aus der gefahrenfreien Zone sind".
Merkel habe die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auch immer wieder als Herausforderung für die Demokratie bezeichnet, betonte Fietz. Vor diesen Hintergrund würden bei dem Treffen am Dienstag eine Reihe von Fragen besprochen.
Laschet forderte, für die Corona-Risikobewertung nicht nur die Zahl der Neuinfektionen zu berücksichtigen. In die Lagebewertung müssten die Kapazitäten der Krankenhäuser und die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten stärker einbezogen werden. Zusätzlich in die Risikobewertung einfließen sollten "der Anteil zurückverfolgbarer Infektionen, die Anzahl der Tests und der Anteil positiver Testergebnisse", sagte der NRW-Ministerpräsident.
Laschet übernahm damit einen Vorschlag seines Corona-Expertenrates, der für eine "differenzierte Sichtweise" auf das Virus im Herbst und Winter plädiert. Als Beispiel für ein Frühwarnsystem führt der Expertenrat in seiner dem "Handelsblatt" vorliegenden Stellungnahme Österreich an, das ein auf mehreren Kennziffern beruhendes Modell zur regionalen Steuerung der Corona-Maßnahmen eingeführt hat. Die Vorschläge für eine "Corona-Ampel" sieht Laschet auch als Blaupause für Deutschland.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer forderte mit Blick auf das Spitzengespräch "Warnsysteme für ganz Deutschland", die "regional ausgestaltet" werden sollten. "Ab einer bestimmten Fallzahl der Infektionen wird die Bevölkerung informiert, denn ohne deren Mitwirkung geht nichts", sagte Dreyer der Düsseldorfer "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger". Eine Taskforce entscheide dann, wie die Infektionskette am effektivsten unterbrochen werden könne.
Spahn sprach sich derweil gegen eine bundesweite Verschärfung der Maskenpflicht nach Münchner Vorbild aus. Eine Verpflichtung zum Maskentragen auf öffentlichen Plätzen könne "lokal, regional, nach dem Infektionsgeschehen" beschlossen werden, sagte der Bundesgesundheitsminister am Donnerstagabend den ARD-"Tagesthemen". Gegen eine bundesweite Verschärfung spreche auch, dass die Infektionszahlen beispielsweise in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern deutlich niedriger seien als etwa in Bayern oder Nordrhein-Westfalen.
Angesichts der europaweit zunehmenden Corona-Infektionszahlen rief Spahn die Bürger auf, den Herbsturlaub nicht im Ausland zu verbringen. "Man kann ja auch Urlaub im Inland machen", sagte er am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Der Urlaub im Ausland zähle zu den nicht unbedingt notwendigen Reisen, von denen er abrate.
Er wisse, dass das hart sei für Reiseveranstalter, Reisebüros und für die Bürger, sagte Spahn. Aber die vergangene Winter- und Sommersaison hätten gezeigt, dass durch Reiserückkehrer Infektionen stärker nach Deutschland gekommen seien.
Wegen steigender Corona-Infektionszahlen hatte die Bundesregierung am Mittwoch weitere Regionen innerhalb der Europäischen Union zu Risikogebieten erklärt und Reisewarnungen ausgesprochen. Betroffen sind Regionen in elf Ländern, darunter in Tschechien, Österreich und den Niederlanden sowie Kopenhagen, Dublin und Lissabon.
by Ina FASSBENDER