In Afghanistan ist am Freitag eine dreitägige Feuerpause in Kraft getreten, die zu den lang erwarteten Friedensgesprächen zwischen der Regierung und den radikalislamischen Taliban führen könnte. Genährt wurden die Hoffnungen auf Verhandlungen durch die Ankündigung von Präsident Aschraf Ghani, dass die Regierung weitere 500 Taliban freilassen werde.
Mit Beginn der Feuerpause strömten hunderte Gläubige in die Moscheen der Hauptstadt Kabul. Dort wurden sie von Sicherheitskräften genau durchsucht, bevor sie eingelassen wurden. Landesweit wurde der Waffenstillstand offenbar zunächst eingehalten, es gab keine Berichte über Verstöße.
Das Schweigen der Waffen war von beiden Seiten anlässlich des islamischen Opferfestes Eid al-Adha angekündigt worden. Es ist erst die dritte offizielle Feuerpause in Afghanistan in 19 Jahren Krieg. "Es ist eine historische Chance für Frieden - und niemand sollte sie kaputt machen", sagte der Lehrer Semarai Sediki der Nachrichtenagentur AFP.
Sowohl Ghani als auch die Taliban hatten im Vorfeld signalisiert, dass womöglich sofort nach dem Opferfest Friedensgespräche beginnen könnten, das bis einschließlich Montag dauert. Als eine Voraussetzung dafür galt die Freilassung von insgesamt 5000 Taliban-Kämpfern. Die Regierung hat bereits 4600 Kämpfer freigelassen, die restlichen 400 stufte sie als "zu gefährlich" ein.
Nun verkündete Ghani bei einer Ansprache zum Beginn des Opferfestes: "Um unseren guten Willen zu zeigen und die Friedensbemühungen voranzubringen, werden wir 500 Taliban-Gefangene freilassen." Allerdings handelt es sich nicht um Kämpfer, die auf der ursprünglichen Forderungsliste der Taliban standen.
Die radikalislamischen Kämpfer äußerten sich zunächst nicht zu Ghanis Ankündigung. Sie hatten bisher kategorisch die Freilassung der restlichen 400 Männer verlangt, die auf ihrer Liste stehen. Über deren Schicksal soll laut Ghani nun ein Ältestenrat entscheiden.
Überschattet wurde der Beginn der Feuerpause von einem schweren Anschlag, bei dem am Donnerstag im Osten des Landes mindestens 17 Menschen getötet worden waren. Die Taliban bestritten jede Beteiligung.
Die Gewalt am Hindukusch ist laut einer offiziellen US-Analyse ungeachtet der Bemühungen um innerafghanische Friedensverhandlungen weiter sehr hoch. "Die Zahl der von den Feinden ausgeführten Angriffe ist immer noch höher als im historischen Durchschnitt", hieß es in einem Bericht des US-Generalinspekteurs für den Wiederaufbau Afghanistans, der dem Kongress untersteht. Zwar hätten die Taliban zuletzt keine Angriffe mehr auf die internationalen Truppen im Land gestartet, dafür aber immer wieder die afghanische Armee angegriffen.
Die USA und die Taliban hatten im Februar das Abkommen von Doha geschlossen. Ziel ist die Regelung des US-Truppenabzugs aus Afghanistan nach fast zwei Jahrzehnten Krieg. Im Gegenzug sollen die Taliban die Gewalt in Afghanistan reduzieren und Garantien dafür geben, dass sie das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekämpfen. Dafür soll es ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und den Taliban geben.
Bereits Ende Mai hatten die Taliban eine dreitägige Feuerpause anlässlich des Endes des Fastenmonats Ramadan verkündet. Unmittelbar danach hatten die Islamisten jedoch wieder mit tödlichen Anschlägen auf Stellungen der afghanischen Streitkräfte begonnen. Zudem warfen die Taliban der Regierung vor, zunächst freigelassene Taliban-Kämpfer wieder festnehmen zu lassen. Dies verstoße klar gegen die Absprachen von Doha.
by WAKIL KOHSAR