In der Debatte um Konsequenzen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat FDP-Vizeparteichef Wolfgang Kubicki Überlegungen zur Ausrufung einer neuen fiskalpolitischen Notlage für die Jahre 2023 und 2024 abgelehnt. Er sehe solche Überlegungen "kritisch", sagte Kubicki der "Rheinische Post" (Donnerstagsausgabe). "Denn faktisch entsteht die Notlage ja durch die Auswirkungen der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes - und nicht durch neue, eine Notlage rechtfertigende Erkenntnisse", fügte der Politiker an.
"Wir sollten jeglichen Eindruck vermeiden, dass mit vermeintlichen oder tatsächlichen Buchungstricks eine selbstgeschaffene problematische Lage überbrückt werden soll", sagte Kubicki. Auch FDP-Haushaltsexperte Frank Schäffler lehnte derartige Überlegungen ab. "Die Frage einer Notlage für 2024 sehe ich derzeit nicht. Sie hätte unter den aktuellen Umständen vor dem Verfassungsgericht auch keinen Bestand", sagte er der "Rheinischen Post".
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche die Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes mit ungenutzten Krediten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie für unzulässig erklärt. Damit fehlen der Koalition in den kommenden Jahren 60 Milliarden Euro, die eigentlich in Projekte der Energiewende fließen sollten.
Die Erklärung der Notlage würde ein Aussetzen der grundgesetzlich fixierten Schuldenbremse erlauben. Die Bundesregierung aktivierte diesen Mechanismus während der Coronapandemie und in der Energiepreiskrise wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Unter Experten ist allerdings umstritten, ob dies aktuell gerechtfertigt und mit dem Karlsruher Urteil vereinbar wäre.
bro/pw