Mit seinem Vorstoß für eine Abschaffung des Ehegattensplittings hat SPD-Chef Lars Klingbeil einen neuen Koalitionszwist heraufbeschworen. Die FDP lehnt das Ansinnen strikt ab, Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnt vor einer "massiven Steuererhöhung für die Mitte der Gesellschaft". Dagegen nennt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eine Reform des Splittings "absolut sinnvoll" und fordert Gespräche darüber in der Ampel-Koalition.
SPD-Chef Klingbeil hatte zu Wochenbeginn die Abschaffung des Ehegattensplittings für neue Ehen vorgeschlagen - als Alternative zu der von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) angekündigten Streichung des Elterngelds für Besserverdienende. Am Montagabend betonte er im ZDF, die SPD halte das Ehegattensplitting grundsätzlich für überholt. Klingbeil sprach von einem "antiquierten System".
FDP-Generalsekretäre Djir-Sarai wies den Vorstoß zurück. "Die FDP stellt sich klar gegen die Idee, Familien in unserem Land steuerlich noch mehr zu belasten", sagte er der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach in der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" von einem "völlig unausgegorenen, nicht vom Koalitionsvertrag gedeckten Vorschlag".
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, das Ehegattensplitting leite sich "aus der Verfassung ab, die die Ehe unter besonderen Schutz stellt. Schon deswegen muss es bleiben". Die Abschaffung würde außerdem eine Steuererhöhung bedeuten - "das geht mit der FDP nicht".
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), lehnte eine Abschaffung ab. Das Ehegattensplitting sei "insbesondere für kinderreiche Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen von hoher Bedeutung", sagte er dem "Wir". Eine Streichung wäre "nichts anderes als eine gigantische Steuererhöhung".
Bundesarbeitsminister Heil hingegen sagte der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe), eine "Reform des Ehegattensplittings ist aus arbeitsmarktpolitischer Sicht absolut sinnvoll". Um Fachkräfte zu sichern, seine "eine bessere Erwerbsbeteiligung von Frauen" nötig.
"Viele Frauen sind sehr gut ausgebildet, arbeiten aber nur Teilzeit - und das nicht nur, weil sie sich um Kinder und Familie kümmern, sondern auch, weil sich Mehrarbeit aus steuerlichen Gründen zu wenig lohnt", führte Heil aus. Die Koalition solle "in Ruhe" über eine "Modernisierung des Steuerrechts" reden.
SPD-Fraktionsvize Sönke Rix erklärte in Berlin, die Abschaffung des Ehegattensplittings für neu geschlossene Ehen sei "unter Aspekten der Fairness und der Gleichberechtigung geboten". Dass Familien aus einem Hauptverdiener und einer Zuverdienerin überdurchschnittlich vom Ehegattensplitting profitierten, sei nicht mehr zeitgemäß. "Das nicht-verheiratete Paar, beide gleichermaßen berufstätig, mit drei Kindern wird im Vergleich dazu benachteiligt", beklagte Rix.
Er kritisierte die FDP deutlich: Wenn diese sich stark mache für die Gleichstellung von Frauen und Männern, "sollte sie ihre Ablehnung gegenüber der Abschaffung des Ehegattensplitting schnell überdenken". Oder sie solle sich "ehrlich machen und einräumen, dass hier die Pfründe ihrer Klientel bewahrt werden sollen".
Beim Ehegattensplitting werden die Einkünfte beider Ehepartner zusammengerechnet und dann halbiert. Für diesen Wert wird die Einkommensteuer berechnet und dann verdoppelt - das ist die Steuerlast des Ehepaars. Das Ehegattensplitting ist vor allem für Paare vorteilhaft, deren Einkommen weit auseinanderklaffen.
cne/mt