Die relativ positive Entwicklung der Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr ist stark durch Sondereffekte geprägt, insbesondere die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Dies betrifft unterschiedliche Wirtschaftsbereiche, besonders aber den Verkehrssektor, wie der Expertenrat für Klimafragen am Donnerstag als Ergebnis seiner Überprüfung der im März vom Umweltbundesamt (UBA) vorgelegten Emissionsdaten feststellte. Für die Zukunft sind demnach zudem die sich abzeichnenden schärferen EU-Emissionsziele zu berücksichtigen.
Die vom UBA vorgelegten Emissionsdaten seien "nur eine Momentaufnahme", sagte die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Brigitte Knopf. Unter Berufung auf eine sogenannten Trendfortschreibung gehen die Expertinnen und Experten davon aus, dass etwa zwei Drittel der für 2020 im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten Emissionsminderung um 8,7 Prozent auf Sondereffekte zurückzuführen sei. Ohne diese Effekte hätte die Minderung demnach nur etwa drei Prozent betragen.
Eine Bezifferung der genauen Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Emissionen ist dem Expertenrat zufolge schwierig. Allerdings lasse sich etwa die Hälfte der genannten Sondereffekte auf den Einbruch der Wirtschaftsleistung zurückführen, für den wiederum die Pandemie maßgeblich verantwortlich war. Im Verkehrssektor wäre demnach ohne die Einschränkungen in den Lockdown-Zeiten die gesetzliche Emissionsvorgabe voraussichtlich um zehn Prozent überschritten worden.
Aufgabe des Expertenrats ist es, die vom UBA vorgelegten Emissionsdaten hinsichtlich der Einhaltung der Sektorziele des Klimaschutzgesetzes zu prüfen. Es gebe keine Anhaltspunkte, diese Ergebnisse anzuzweifeln, sagte der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning. Allerdings seien die Zahlen wegen der begrenzten Datenlage mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Henning mahnte hier für die Zukunft Nachbesserungen an, "um die Datengüte zu verbessern" - auch durch eine Einbeziehung direkter Messungen von Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre.
Formal bestätigte der Expertenrat die Analyse des UBA, wonach in allen Wirtschaftssektoren außer dem Gebäudesektor die Emissionsvorgaben des Klimaschutzgesetzes eingehalten wurden. Für den Gebäudebereich müssen daher nun die Ministerien für Inneres und Wirtschaft bis zum 15. Juli ein Sofortprogramm für weitere CO2-Minderungen vorlegen. Zwar sei hier als einzigem Sektor von höheren Emissionen wegen der Corona-Pandemie auszugehen. Gleichwohl bestehe aber Handlungsbedarf, da sonst auch unabhängig von Sondereffekten 2021 die Zielvorgaben erneut verfehlt werden dürften.
Knopf verwies zudem auf die laufenden Beratungen auf EU-Ebene über eine Verschärfung des europäischen Emissionsziels für 2030 von minus 40 Prozent auf mindestens minus 55 Prozent. Für Deutschland ergebe sich daraus, dass sich die Zielvorgabe für 2030 von der bisher anvisierten Minderung um 55 Prozent auf minus 62 bis 68 Prozent verschärfen dürfte. Dies solle frühzeitig mit berücksichtigt werden, mahnte Henning, auch um für Unternehmen mehr Planungssicherheit zu schaffen.
Erste Entscheidungen auf EU-Ebene werden im Sommer erwartet. Gegebenenfalls müssten dann im Rahmen der europäischen Lastenteilung auch die deutschen Sektorziele entsprechend angepasst werden, heißt es im Bericht des Expertenrats. Auch falls die schärferen EU-Ziele stattdessen über einen möglicherweise erweiterten Emissionshandel umgesetzt würden, werde sich auf jeden Fall der deutsche Emissionspfad "substanziell gegenüber dem Status quo verändern".
Der Umweltverband WWF verlangte als sofortige Konsequenz einen stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien sowie einen "Mobilitätswendeplan" für den Verkehrsbereich.
by Ina FASSBENDER