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Expertenrat: Rassismus gegenüber Muslimen in Gesellschaft weit verbreitet

Ein von der Bundesregierung eingesetzter Expertenrat sieht Rassismus gegenüber Muslimen und pauschale Islamfeindlichkeit in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet. In seinem am Donnerstag veröffentlichten Abschlussbericht bezeichnet der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) die muslimische Bevölkerung als "eine der am meisten unter Druck stehenden Minderheiten". Das Gremium fordert Politik, Sicherheitsbehörden, Justiz, aber auch Medien und Kultur in 20 Empfehlungen auf, hier aktiv gegenzusteuern.

"Viele der 5,5 Millionen Musliminnen und Muslime in Deutschland erleben Ausgrenzung und Diskriminierung im Alltag – bis hin zu Hass und Gewalt", erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu dem Bericht. Die Politik werde sich "intensiv mit den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen beschäftigen und alles tun, um Diskriminierungen abzubauen und Musliminnen und Muslime besser vor Ausgrenzung zu schützen."

Aus einer Reihe von Studien werde deutlich, "dass Muslimfeindlichkeit kein gesellschaftliches Randphänomen darstellt, sondern in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung verbreitet ist", heißt es in dem Abschlussbericht des Expertenkreises. Etwa jeder Zweite in Deutschland stimme muslimfeindlichen Aussagen zu. Dies biete "einen gefährlichen Nährboden und ein Einfallstor für antidemokratische Gruppierungen".

Muslime würden dabei einerseits vielfach als "fremde" Zuwanderer wahrgenommen und andererseits als Angehörige einer "angeblich 'rückständigen Religion'", heißt es. Insbesondere kopftuchtragende Frauen berichteten "von besonders drastischen Formen von Anfeindungen". Zudem werde der Islam vielfach "pauschal mit Gewalt, Extremismus und Rückständigkeit verknüpft". 

Problematisch sehen die Experten auch die Islamdarstellung im deutschsprachigen Film: Fast 90 Prozent untersuchter Filme zeigten einen Negativbezug. "Im Mittelpunkt stehen Geschichten über Terroranschläge, Radikalisierung, Kriege und Frauenunterdrückung."

Im Bundestag sieht der Expertenkreis die AfD als einzige Partei "mit einem manifest muslimfeindlichen Programm". Außer ihr würden alle Parteien inzwischen das Problem der Muslimfeindlichkeit benennen. Ein klares Bekenntnis zur verbesserten Repräsentation von Musliminnen und Muslimen in Parteien und Ämtern fehle jedoch.

Um Muslimfeindlichkeit zurückzudrängen empfehlen die Experten insbesondere die Schaffung eines Sachverständigenrates und die Ernennung eines Bundesbeauftragten. Zudem müssten Beschwerde-, Melde- und Dokumentationsstellen auf- und ausgebaut werden. 

Fort- und Weiterbildungen empfiehlt der Rat etwa für das Personal von Kitas und Schulen, Sicherheitsbehörden, Justiz, Verwaltungen, Medienhäusern und Kultureinrichtungen. Die Kulturministerkonferenz fordern die Experten zu einer "fächerübergreifenden Überarbeitung der Lehrpläne und Schulbücher" auf, um muslimfeindliche Inhalte zu entfernen.

Der Staat insgesamt müsse bei gleichberechtigter Teilhabe und Vertretung in seinen Einrichtungen "eine Vorbildfunktion einnehmen". Fördermöglichkeiten für muslimische Organisationen im kulturellen und sozialen Bereich müssten ausgebaut werden.

Positiv bewertet das Gremium, dass in der polizeilichen Kriminalstatistik inzwischen auch "islamfeindliche Straftaten" gesondert erfasst würden. Die Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, denn justiziable Vorfälle wie Angriffe, Beleidigungen oder Belästigungen würden nur selten zur Anzeige gebracht. Gleichzeitig hätten viele Betroffene auch kaum Kenntnis von Beratungs- und Unterstützungsangeboten.

Der Rat war im September 2020 unter dem damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) einberufen worden. Das zwölfköpfige Gremium veranstaltete in den vergangenen zweieinhalb Jahren Anhörungen und gab auch selbst Studien zur Muslimfeindlichkeit in Auftrag. Mit dem Abschlussbericht soll sich nun die Deutsche Islam-Konferenz - einem Dialogforum zwischen Staat und Muslimen - befassen. Hierzu ist auch eine Fachkonferenz im Herbst geplant.

mt/pw