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Expertenkommission kritisiert Krisenmanagement nach Corona-Ausbruch in Ischgl

Lokalen Behörden drohen mehrere Klage

Nach dem massenhaften Corona-Ausbruch im Tiroler Skiort Ischgl hat eine Expertenkommission das Krisenmanagement der örtlichen Behörden und der österreichischen Regierung kritisiert. Die örtlichen Behörden hätten nach dem Ausbruch verspätet gehandelt, sagte der Leiter der vom Tiroler Landtag eingesetzten Kommission, Ronald Rohrer, am Montag bei der Vorstellung des Untersuchungsberichts in Innsbruck.

Bundeskanzler Sebastian Kurz warf er vor, die Isolierung aller Orte im Paznautal sowie von St. Anton am Arlberg am 13. März "überraschend und ohne Vorbereitung" angekündigt zu haben. Daraufhin waren die Touristen überhastet und in völligem Chaos abgereist. Wegen der Ausreise habe es eine Reihe von Kommunikationsproblemen zwischen Bund und dem Land Tirol gegeben.

Als "unwahr und schlecht" bezeichnete Rohrer zudem Pressemitteilungen der Tiroler Behörden zur Lage in Ischgl: Nachdem isländische Behörden bereits am 5. März darüber informiert hatten, dass 14 Ischgl-Rückkehrer positiv getestet worden seien, hieß es in den Presseerklärungen, dass sie sich im Flugzeug angesteckt hätten und, dass eine Übertragung des Virus auf die Gäste eher unwahrscheinlich sei.

Der Tiroler Ski- und Party-Ort Ischgl war Ende Februar und Anfang März ein Hotspot für Corona-Infektionen. Tausende Urlauber aus 45 Ländern steckten sich mit dem Coronavirus an und verbreiteten es anschließend zu Hause weiter, darunter zahlreiche Touristen aus Deutschland.

Den österreichischen Behörden wurde schon früh vorgeworfen, zu spät auf erste Anzeichen des Ausbruchs in dem beliebten Wintersportort reagiert und damit der Ausbreitung in ganz Europa und darüber hinaus Vorschub geleistet zu haben. Mitte Mai beauftragte der Tiroler Landtag dann die Expertenkommission mit einer Untersuchung des Krisenmanagements.

Ende September leitete die Staatsanwaltschaft Innsbruck Ermittlungen gegen vier Behördenvertreter, darunter Ischgls Bürgermeister Werner Kurz, ein. Sie werden verdächtigt, die Ausbreitung des Virus nicht gestoppt zu haben. Zudem laufen bereits erste Musterklagen des österreichischen Verbraucherschutzvereins.

Drei deutsche Urlauber und die Familie eines österreichischen Mannes, der nach seinem Aufenthalt in Ischgl am Coronavirus gestorben ist, sind vor Gericht gezogen. Sie fordern von den österreichischen Behörden Schadenersatz in Höhe von 12.000 bis 100.000 Euro.

by Johann GRODER