Die weltweite Entwaldung hat einem neuen Expertenbericht zufolge im vergangenen Jahr zugenommen. Es sei 2022 vier Prozent mehr Fläche entwaldet worden als noch im Jahr zuvor, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht unter Mitarbeit von mehr als zwei Dutzend Umweltgruppen und Forschungsorganisationen. Wenn es so weiter gehe, werde die internationale Gemeinschaft an dem Ziel scheitern, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen.
2021 hatten mehr als hundert Länder zugesagt, den Waldverlust bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Dem "Forest Declaration Assessment" vom Dienstag zufolge war die Entwaldung im vergangenen Jahr jedoch mehr als 20 Prozent höher, als sie hätte sein dürfen, um das Ziel zu erreichen. 6,6 Millionen Hektar Wald - und damit eine Fläche annähernd so groß wie Bayern - seien verloren gegangen, ein Großteil davon in Tropenregionen.
In dem Bericht wird zudem davor gewarnt, dass das Problem weiterhin bestehe. Dazu gehören ein breites Spektrum an Schäden, darunter Waldbrände und den Verlust biologischer Vielfalt, die den Gesamtzustand eines Waldes beeinträchtigen. Wälder sind nicht nur wichtige Lebensräume für Tiere, sondern auch wichtige Klimaregulatoren.
"Das Ziel für 2030 ist nicht nur schön zu haben, sondern für die Erhaltung eines lebenswerten Klimas für die Menschheit unerlässlich", sagte Erin Matson, eine Hauptautorin des Berichts. Die Daten schwankten von Jahr zu Jahr. "Aber was wirklich wichtig ist, ist der Trend", sagte Matson. Dieser gehe "in die falsche Richtung".
Der Bericht zeigt jedoch auch positive Entwicklungen auf. Etwa 50 Länder sind demnach auf einem guten Weg, die Entwaldung zu beenden. Vor allem in Brasilien, Indonesien und Malaysia ging der Waldverlust den Angaben zufolge deutlich zurück. Allerdings seien diese Fortschritte gefährdet. In Indonesien seien sie teilweise auf ein Moratorium zurückzuführen. Es wird befürchtet, dass neue Gesetze zur Schaffung von Arbeitsplätzen die Regeln aufweichen könnten.
Lob gibt es in dem Bericht für neue Vorschriften der EU, mit denen die Einfuhr von Rohstoffen blockiert werden soll, durch welche die Entwaldung vorangetrieben wird.
Die Fachleute fordern jedoch stärkere globale Maßnahmen. Dazu gehören mehr Geld für den Schutz von Wäldern und das Ende von Subventionen für Sektoren wie die Landwirtschaft, die die Entwaldung vorantreibt.
Die Umweltorganisation WWF warnte angesichts der zunehmenden Entwaldung vor "unumkehrbaren" Konsequenzen. "Jetzt ist ein kritischer Punkt erreicht", erklärte Susanne Winter, Programmleitung Wald beim WWF Deutschland. Es seien keine neuen Bekenntnisse zum Walderhalt nötig, sondern "kompromissloser Ehrgeiz, Schnelligkeit und Verantwortlichkeit, um die gesetzten Ziele zu erreichen".
Seit der Erklärung zum Stopp der weltweiten Entwaldung vor zwei Jahren sei eine Tropenwaldfläche der Größe Dänemarks verloren gegangen, erklärte Winter weiter. "Ein weiteres Zögern können wir uns nicht mehr leisten – Regierungen, Banken, Investoren und Unternehmen müssen sich ihrer Verantwortung stellen, um uns global zurück auf den richtigen Pfad zu bringen."
mhe/jes