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Experten halten Schulbetrieb unter Corona-Bedingungen für möglich

Karliczek stellt wissenschaftliche Empfehlungen für Präsenzunterricht vor

Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland können nach Einschätzung von Wissenschaftlern auch dann wieder zum Unterricht in ihre Klassenzimmer zurückkehren, wenn die Corona-Pandemie anhält - allerdings müssen für den Präsenzunterricht dann strenge Regeln durchgesetzt werden. In einem Leitfaden, den Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Montag in Berlin vorstellte, formulieren die Experten konkrete Empfehlungen etwa zur Verringerung der Klassengrößen, zum Maskentragen, Lüften und zum Umgang mit Verdachtsfällen.

Die Öffnung von Schulen könne "nur sehr vorsichtig, nur Schritt für Schritt und immer auf wissenschaftlicher Basis" erfolgen, sagte Ministerin Karliczek. Das von ihrem Ministerium unterstützte Expertenteam stütze seine Handlungsempfehlungen auf die Auswertung von rund 40 wissenschaftlichen Studien. Ziel der Leitlinien sei es, "allen Beteiligten wissenschaftlich fundierte und konsentierte Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen", schreiben die Experten in dem Papier.

Die Entscheidung, ob die Schulen wieder öffnen, müsse von der Politik getroffen werden, sagte Karliczek. Die Leitlinien sollten Empfehlungen dafür geben, wie eine solche Öffnung dann unter Pandemie-Bedingungen konkret gestaltet werden könne. Die Frage der Öffnung von Schulen und Kitas dürfte bei den Corona-Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch eine große Rolle spielen.

Die Wissenschaftler stellten ihr Empfehlungspaket am Montag vor. Die wichtigsten Punkte: Um die Infektionsgefahr in des Schulen zu minimieren, empfehlen sie das Aufteilen von Klassen, einen zeitlich gestaffelten Unterrichtsbeginn, eine Maskenpflicht im Unterricht und konkrete Anleitungen zum Lüften. Für die Wiederaufnahme des Sport- und Musikunterrichts soll es besondere Auflagen geben.

Außerdem empfehlen die Experten, mehr Busse und Bahnen zum Schülertransport einzusetzen. Konkrete Empfehlungen geben sie auch für den Umgang mit Corona-Verdachtsfällen im Klassenverband sowie für das Vorgehen nach Risiko-Kontakten von Schülern oder Lehrern. Der Präsenzunterricht könne nur funktionieren, wenn das gesamte Paket umgesetzt werde, betonten die Wissenschaftler.

Erarbeitet wurde das Papier von Experten auch 36 Fachverbänden und Institutionen verschiedener Disziplinen wie Medizin, öffentlichem Gesundheitswesen und Pädiatrie. Dabei wurden auch Eltern-, Schüler- und Schulvertreter einbezogen.

Karliczek sagte bei der Vorstellung, "dass jetzt nicht die Zeit für Lockerungen ist, damit wir die mühsamen Erfolge gegen das Virus nicht zunichte machen". Sie fügte hinzu: "Wir wollen möglichst viel Präsenzunterricht bei möglichst großer Sicherheit für alle in der Schule." Die "Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle" des Infektionsgeschehens müssten dabei "noch konsequenter ausfallen als in der Vergangenheit".

Ähnlich wie Karliczek mahnte auch der Deutsche Lehrerverband, eine Öffnung der Schulen könne nur "sehr behutsam und vorsichtig" erfolgen. Auf keinen Fall sei der Schulbetrieb bereits "flächendeckend in allen Regionen möglich", sagte Verbandspräsident Hans-Peter Meidinger der "Welt".

SPD-Fraktionsvize Katja Mast forderte von Kanzlerin und Ministerpräsidenten "ein klares Signal, wie es in Kitas und Schulen weitergeht". Es gehe dabei "nicht um alles oder nichts, aber um die stufenweise Rückkehr zur Teilhabe durch Betreuung und Bindung".

Die Infektionszahlen in Deutschland gehen seit Wochen zurück. Das Ziel von Bund und Ländern, die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz auf unter 50 zu drücken, ist aber noch nicht erreicht. Zudem ist die Lage durch das Auftreten neuer und als besonders ansteckend geltender Formen des Virus komplizierter geworden.

by Christof STACHE