In einem Aufsehen erregenden Missbrauchsskandal ist in Frankreich ein pensionierter Arzt verurteilt worden, der mehr als 300 Kinder sexuell missbraucht haben soll. Der frühere Chirurg Joël Le S. wurde am Donnerstag von einem Gericht in der westfranzösischen Stadt Saintes in einem ersten Prozess zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er hatte gestanden, vier Mädchen vergewaltigt oder sexuell missbraucht zu haben.
Die Richter folgten dem Antrag der Anklage, die 15 Jahre Gefängnis gefordert hatte. Zudem wird der Verurteilte danach für drei weitere Jahre unter juristische Aufsicht gestellt. Das Urteil fiel mit dem 70. Geburtstag des Arztes zusammen, der seine Verbrechen an Mädchen und Jungen 30 Jahre lang vertuscht hatte.
Die Justiz war dem dreifachen Vater erst 2017 nach der Aussage eines inzwischen erwachsenen Opfers auf die Schliche gekommen. Die Ermittler fanden bei ihm akribische Aufzeichnungen und Fotos, die auf bis zu 312 mögliche Missbrauchsopfer schließen lassen. Ein Ermittler sprach von einer "beispiellosen" Affäre mit "ekelerregenden" Details. Der Mann soll viele seiner Opfer betäubt haben.
In dem ersten Verfahren gegen den Arzt ging es um die Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe auf zwei Töchter seiner Schwester, eine kleine Patientin sowie ein Nachbarmädchen in den 1990er Jahren. Zwei der Kinder waren zu Tatbeginn erst vier und sechs Jahre alt.
Der pensionierte Chirurg hatte zunächst nur unsittliche Berührungen gestanden. In dem Prozess räumte er aber auch die Vergewaltigungen ein. "Alles was sie sagen, ist wahr", hatte er nach der Aussage seiner heute 30 und 35 Jahre alten Nichten gestanden. Experten beschreiben den Arzt als "manipulativ" und ohne jedes Mitgefühl für die Opfer.
Der frühere Magen-Darm-Spezialist sitzt seit Mai 2017 in Untersuchungshaft. Er praktizierte im Laufe seines Berufslebens an verschiedenen Kliniken im Westen Frankreichs, vor allem in der Bretagne. Nach seiner Aussage wussten seine Schwester und seine Frau von dem Missbrauch, sagten aber nichts. Der Termin für den nächsten Prozess gegen ihn steht noch nicht fest.
by Benoit PEYRUCQ