Pozzuoli – Ein Jahr kontinuierlicher Erdbeben erschüttert die italienische Hafenstadt Pozzuoli im Westen von Neapel. Diese Erschütterungen gehen auf einen gigantischen Vulkan zurück, der in der Eiszeit bei mindestens zwei gewaltigen Ausbrüchen eine 16 Kilometer breite Caldera formte. Innerhalb dieses Kraters brachen später kleinere Vulkane mindestens 70 Mal aus! Seit letzten Sommer sorgen neue starke Erdbeben erneut für Unruhe in Pozzuoli. Droht Europa ein schwere Vulkanausbruch?
Vor knapp drei Wochen erschütterte ein starkes Schwarmbeben mit einer maximalen Stärke von 4,4 die malerische Bucht – der stärkste jemals gemessene Erdstoß in den Phlegräischen Feldern. In der Nacht zum Samstag (8. Juni) gab es erneut ein heftiges Schwarmbeben. Um 3:48 Uhr weckte ein Erdstoß der Stärke 3,5 die etwa 500.000 Bewohner der Roten Zone in der Caldera. Weitere Stöße mit Stärken bis zu 3,7 folgten um 4:09 Uhr. Danach wurden die Beben schwächer und endeten schließlich um 10:31 Uhr. Insgesamt wurden 56 Erdstöße registriert. Die Epizentren lagen in etwa zwei Kilometern Tiefe unter und rund um den bekannten Solfatara-Krater. Auch in Neapel waren die mehrere Sekunden andauernden Beben deutlich zu spüren.
Langzeitmessungen in den Vulkankratern zeigen eine Eskalation der Situation: Während die Geschwindigkeit der Hebung im Vorjahr bei etwa einem Zentimeter pro Monat lag, beträgt sie inzwischen zwei Zentimeter. Nach dem Bebenschwarm vom 20. auf den 21. Mai sank das Gebiet an manchen Messstellen um einen Zentimeter, um dann innerhalb einer Woche flächendeckend wieder um einen Zentimeter zu steigen. Seit 2005 hat sich die Bucht um 1,27 Meter gehoben, seit 1950 sogar um über vier Meter. Dies führt bereits zu Problemen bei der Schifffahrt. Auch die Bodentemperaturen rund um die Solfatara steigen allmählich. „Im Bereich von Pisciarelli zeigt die Messreihe der Oberflächentemperaturen im Mai 2024, die durch das dauerhafte Netz der Infrarot-Kameras festgehalten wird, einen leichten, aber beständigen Anstieg des langfristigen Trends“, heißt es im Monatsbericht des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV).
Über die Ursachen der Beben und der Bodenhebung sind sich Wissenschaftler uneinig. Das INGV beschreibt die Caldera der Phlegräischen Felder als eine Art riesigen Schnellkochtopf. Über einer tief liegenden Magmablase, die Gase und heißes Wasser aufsteigen lässt, gibt es Risse im Erdreich. Ab einer bestimmten Druckstärke entweichen Gas und heißes Wasser, was die Beben verursacht. Durch Ablagerungen werden die Risse dann wieder verstopft, bis der Druck erneut stark genug ist, um die Risse zu öffnen. Viele Experten warnen jedoch, dass jederzeit ein Vulkanausbruch möglich ist. Die Szenarien reichen von kleineren, aber verheerenden Ausbrüchen bis hin zu einem großen Ausbruch der gesamten Caldera.
Die Beben können auch ohne einen Vulkanausbruch verheerend sein. Im Falle eines großen Bebens oder eines Ausbruchs sind die Fluchtwege kritisch. Der Erdstoß Ende Mai hat bereits viele Menschen obdachlos gemacht: Die Zahl der evakuierten Menschen stieg seitdem auf 199, insgesamt wurden 550 Menschen evakuiert. Bislang wurden 130 Immobilien als einsturzgefährdet erklärt, und Bürgermeister Gigi Manzoni hat 76 Räumungen angeordnet. 74 Techniker haben bisher 1.420 Gebäude inspiziert.