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Europäische Staaten kritisieren geplante Ausweitung des iranischen Atomprogramms

Berlin, Paris und London rufen Teheran zu Vertragseinhaltung auf

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben sich beunruhigt über die Pläne des Iran zur Ausweitung seines Atomprogramms gezeigt. Die Ankündigung Teherans, weitere Zentrifugen in der Urananreicherungsanlage in Natans zu installieren, sei "zutiefst Besorgnis erregend", erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin.

Zudem sei "mit großer Sorge" das kürzlich vom iranischen Parlament verabschiedete Gesetz zur Kenntnis genommen worden, durch welches das iranische Atomprogramm deutlich ausgeweitet würde. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, den Zugang für Inspektionen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) einzuschränken.

Die geplanten Maßnahmen würden gegen das 2015 unterzeichnete Atomabkommen verstoßen, erklärten die drei europäischen Staaten in ihrer gemeinsamen Erklärung weiter. Sie forderten den Iran auf, diese Maßnahmen nicht umzusetzen, wenn er "Raum für Diplomatie" aufrecht erhalten wolle. Ein solches Vorgehen würde auch die gemeinsamen Bemühungen um die Bewahrung des Atomabkommens gefährden und "die wichtige Chance aufs Spiel setzen, gemeinsam mit der künftigen US-Regierung zur Diplomatie zurückzukehren", mahnten die drei Regierungen.

Mit dem Vertrag über das iranische Atomprogramm sollte sichergestellt werden, dass der Iran nicht die Fähigkeiten zum Bau einer Atombombe erlangt. Dafür wurden der Islamischen Republik Lockerungen der Sanktionen zugesagt.

Unter US-Präsident Donald Trump waren die USA 2018 einseitig aus dem Atomabkommen ausgetreten. Seither verhängte Washington zahlreiche neue Sanktionen gegen Teheran, der Iran rückte seinerseits schrittweise von dem Vertrag ab.Mit dem neugewählten US-Präsidenten Joe Biden gab es zuletzt Aussichten auf eine Wiederannäherung. Berlin, Paris und London begrüßten die Äußerungen Bidens zum Atomabkommen und zu "einem diplomatischen Weg, um weitere Anliegen im Hinblick auf Iran zu behandeln", ausdrücklich. "Dies ist in unser aller Interesse", hieß es in der Erklärung.

Die sogenannten E3 - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - setzen sich energisch für den Wiedereinstieg der USA in das Atomabkommen ein. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Montag im Deutschlandfunk, eine Rückkehr der USA in das Abkommen sei "außerordentlich wichtig", da dieses ohne die USA "nur wenig wert" sei. Allerdings müsse auch der Iran zu seinen Verpflichtungen zurückkehren, was "gegenwärtig nicht der Fall" sei. Maas warb dafür, das Atomabkommen um "Fragen der regionalen Rolle des Irans" sowie der ballistischen Mittelstrecken-Raketenprogramme, die es dort gebe, zu ergänzen.

Seit dem tödlichen Anschlag auf den hochrangigen Kernphysiker Mohsen Fachrisadeh in der Nähe von Teheran Ende November hat sich der Konflikt mit dem Iran erneut zugespitzt. Teheran beschuldigte vor allem Israel, für den Angriff verantwortlich zu sein.

Am Sonntag sagte der stellvertretende Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Ali Fadawi, bei der gezielten Tötung Fachrisadehs sei ein satellitengesteuertes Maschinengewehr zum Einsatz gekommen. Das auf einem Nissan Pickup montierte Maschinengewehr habe gezielt auf das Gesicht des Kernphysikers "gezoomt" und 13 Schüsse abgefeuert. "Terroristen" seien zum Zeitpunkt des Anschlags nicht vor Ort gewesen.

Seit dem Anschlag auf Fachrisadeh, für den Teheran neben Israel auch die Exil-Oppositionsgruppe Volksmudschahedin verantwortlich machte, wurden unterschiedliche Berichte zum Hergang der Tat veröffentlicht. Das iranische Verteidigungsministerium hatte zunächst erklärt, es habe einen Schusswechsel zwischen den Angreifern und Fachrisadehs Sicherheitsleuten gegeben. Später war von einer ferngesteuerten Waffe die Rede.

Fachrisadeh hatte die Forschungs- und Innovationsabteilung des iranischen Verteidigungsministeriums geleitet und war auch Vize-Minister. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte ihn einst als "Vater des iranischen Atomwaffenprogramms" bezeichnet.

by HENGHAMEH FAHIMI