Einem Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge sind EU-Mitgliedsstaaten nicht dazu verpflichtet, jemanden automatisch als Flüchtling anzuerkennen, der zuvor in einem anderen EU-Land als Flüchtling anerkannt wurde. Der in dem anderen Land gewährte internationale Schutz müsse nicht ohne Prüfung anerkannt werden, argumentierte Generalanwältin Laila Medina in ihren am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten Schlussanträgen. Ein Urteil war dies noch nicht. (Az. C-753/22)
Bei den Schlussanträgen handelt es sich um ein juristisches Gutachten, an dem sich die europäischen Richterinnen und Richter bei ihrem späteren Urteil aber häufig orientieren. Ein Termin dafür wurde noch nicht veröffentlicht. Den konkreten Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dem EuGH vorgelegt. Es muss über die Klage einer Syrerin entscheiden.
Die Frau wurde in Griechenland als Flüchtling anerkannt. Später beantragte sie in Deutschland Schutz. Ein deutsches Gericht entschied, dass sie angesichts der dort herrschenden Lebensverhältnisse für Flüchtlinge nicht nach Griechenland zurückkehren könne. Ihr drohe die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.
Als Flüchtling wurde die Frau in Deutschland nicht anerkannt, ihr wurde aber subsidiärer Schutz gewährt. Sie klagte, um zu erreichen, doch noch als Flüchtling anerkannt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht will vom EuGH wissen, welche Verpflichtungen Deutschland nun hat.
Generalanwältin Medina führte aus, dass die deutschen Behörden zwar den Flüchtlingsstatus für die Frau nicht einfach so übernehmen müssten. Bei ihrer Prüfung dürften sie aber nicht außer Acht lassen, dass Griechenland die Frau als Flüchtling anerkannt habe. Das könne ein wichtiger Anhaltspunkt sein.
Außerdem sollten die deutschen Behörden den neuerlichen Antrag mit Vorrang prüfen und möglicherweise Informationen aus Griechenland anfordern, erklärte sie. Die griechischen Behörden sollten diese Fragen dann innerhalb einer deutlich kürzeren Frist beantworten als normalerweise vorgesehen.
smb/cfm