Die Flucht vor dem Wehrdienst in Syrien stellt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Grund zur Verfolgung durch die dortigen Behörden dar. In einem Bürgerkrieg sei es wahrscheinlich, dass eine solche Flucht als "Akt politischer Opposition" ausgelegt werde, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag. Es ging um einen Syrer, der in Deutschland Asyl beantragt hatte. (Az. C-238/19)
Der Mann hatte sich in Syrien vorläufig vom Wehrdienst zurückstellen lassen und floh dann kurz vor einer geplanten Einziehung nach Deutschland. Sein Asylantrag in der Bundesrepublik wurde allerdings abgelehnt, weil ihm in Syrien keine Verfolgung drohe.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sah keinen Zusammenhang zwischen der Flucht vor dem Wehrdienst und einem Verfolgungsgrund, der einen Anspruch auf die Anerkennung als Flüchtling begründen könnte. Von diesen Verfolgungsgründen gibt es fünf, nämlich Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Der Syrer klagte vor dem Verwaltungsgericht Hannover gegen die Ablehnung seines Asylantrags. Dieses bat den EuGH um Auslegung des europäischen Rechts. Zwar könne der Militärdienst auch aus einer anderen Motivation heraus verweigert werden, argumentierte dieser nun. In vielen Fällen sei die Verweigerung allerdings Ausdruck politischer oder religiöser Überzeugungen oder hänge mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zusammen - was wiederum Verfolgungsgründe wären.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, die den Syrer bei seinem Verfahren finanziell unterstützte, bezeichnete das EuGH-Urteil als "Meilenstein". "Wer vor dem Terrorregime Assads flieht und sich dem Wehrdienst entzieht, hat ein Recht auf Asyl", erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt mit Blick auf die syrische Staatsführung von Machthaber Baschar al-Assad. Über den konkreten Fall entscheidet nun das Verwaltungsgericht Hannover. Es ist dabei jedoch an die EuGH-Rechtsprechung gebunden.
by INA FASSBENDER